„Inklusive Bildung“ ist für uns seit langer Zeit ein wichtiges Anliegen, und die diesbezügliche Verankerung in der auch von Deutschland ratifizierten Behindertenrechtskonvention daher Ansporn, dies auch hier weiter zu thematisieren. So haben wir in den vergangenen Ausgaben bereits zwei vom bayerischen Kultusministerium abgefasste Stellungnahmen zu dieser Thematik abgedruckt. Ebenso erschien in unserer Juniausgabe ein Interview mit der Mutter der kleinwüchsigen Josefine, in dem die Schwierigkeiten erörtert wurden, das Kind in einer Regelschule einzuschulen. Josefine besucht seit September dieses Jahres die erste Klasse einer solchen Regelschule. Lesen Sie die Erfahrungen ihrer Mutter über die neue Zeit.

Wie schon im Interview mit mir in einer der letzten Ausgaben der Clubpost zu lesen war, ist es nicht einfach, ein behindertes Kind in einer Regelschule unterzubringen. Aber nun ist es geschafft! Der Gastschulantrag für die normale Regel-Grundschule ist genehmigt (auch die Sprengelschule stimmte zu), ein Platz in der Mittagsbetreuung ist ergattert… Der extra für Josefine angepasste Stuhl (auf Grund ihrer Kleinwüchsigkeit) war zum ersten Schultag fertig – nun konnte es voller Erwartung in die Schule gehen. Die Anspannung der letzten Wochen fiel förmlich von uns Dreien ab. Die letzten Tage im Kindergarten vergingen wie im Flug und der Abschied fiel schwer, doch nun ist Josefine sieben Jahre und es wird Zeit, ein Schulkind zu sein.

Am 14. September, 9 Uhr, war es dann so weit. Wir fuhren gemeinsam mit Omas und Opa zur Schule, die Schultüte und den Ranzen im Gepäck. Feierlich ging es in der großen Turnhalle zur Begrüßung der ersten Klassen zu. Die älteren Schüler sangen und trugen Gedichte vor. Danach sprach die Rektorin und stellte die Klassenlehrerinnen vor. Spannend wurde es, als jedes Kind von seiner Lehrerin aufgerufen wurde. Josefine kam in die Klasse 1a, eine Integrationsklasse, die gemeinsam mit einer Außenklasse der Mathilde- Eller-Schule zusammenarbeitet. So darf Josefine mit 16 Kindern lernen, von der Außenklasse kommen zu verschiedenen Fächern und Aktionen 9 Kinder dazu. Die Lehrerin nahm „ihre“ Kinder liebevoll mit in den Klassenraum und die erste Unterrichtsstunde begann mit dem Lied „Hurra ich bin ein Schulkind“. Noch durften auch die Eltern die Kinder beim Singen unterstützen… Doch danach wurden alle Eltern und Großeltern zum Sektempfang in die Aula geschickt. Denn nun wollten die Kinder richtig beginnen zu lernen. Wir Eltern warteten voller Spannung und Neugierde auf den Unterrichtsschluss. Viel erzählte Josefine nicht, außer dass es die erste Hausaufgabe gab. Nach einem Festessen in Familie wurde die Schultüte ausgepackt und die Hausaufgabe voller Elan gemacht. Gleich am nächsten Tag ging es mit fünf Unterrichtsstunden los. Anschließend die Mittagsbetreuung. Ziemlich anstrengend, so ein richtiger erster Schultag. Es gibt ja auch so viel Neues zu erleben und entdecken.

Sehr angenehm finde ich, dass jeder Erstklässler einen Paten aus der 4. Klasse bekommt, der in der ersten Zeit die Eingewöhnung erleichtert. Ein jüngerer Schüler sprach uns an, dass er auch gern Josefines Pate wäre, weil er es gut findet, Behinderten zu helfen, aber er ist ja erst in der 3 Klasse. An dieser Schule sind die Umgangsformen sehr gut, alle sind hilfsbereit, kooperativ und es wird keiner ausgelacht. Man spürt schon, wenn man zum Schulhaus hinein kommt eine positive Stimmung. Das gefällt mir und natürlich vor allem auch Josefine. Schon vor der Einschulung hatten wir Kontakt mit dem MSD (Mobiler Sozialpädagogischer Dienst) aufgenommen, um die Einschulung auf eine Regelgrundschule zu erleichtern. So kam auch Josefines Betreuerin vom MSD nach einigen Wochen in die Schule und schaute, ob Josefine gut sitzt (auf ihrem umgebauten Stuhl) und dass sie an wichtige Dinge wie Toilette usw. ohne Probleme ran kommt. Sie berät die Lehrerin bei Ausflügen und anderen Schulveranstaltungen. Josefine geht sehr gern in ihre Schule und sie ist ein Pate eines Mädchens aus der Außenklasse, die „nur mit den Händen reden kann“ (Zeichensprache). Schnell kann sie die Zeichen umsetzen und gerade diesem Mädchen erklären, was gerade zu tun ist. Das macht stolz und selbstbewusst. In der Schule ist sie ebenso ziemlich selbstbewusst, was sie in meinem Beisein nicht so zeigt. Hausaufgaben gibt es eine verträgliche Menge, die jedes Kind gut schaffen kann. Aber Josefine mag sie trotzdem nicht besonders, denn das heißt, dass sie am Nachmittag weniger Zeit zum Spielen und Ausruhen hat. Manchmal müssen wir ja auch noch zu Therapien oder Ärzten und trotzdem müssen die Hausaufgaben sein. Ich hoffe, sie kann sich irgendwann mit diesen Aufgaben auch noch anfreunden… Bis zu den Herbstferien ging es ja schon besser, aber nach den Ferien wieder den Rhythmus zu finden, ist wohl nicht ganz einfach für ein Kind in der ersten Klasse! josefine-schulstart

Wir sind froh, die Entscheidung getroffen zu haben, Josefine in eine Regelgrundschule zu integrieren und den Kampf dafür aufgenommen zu haben. Denn meiner Meinung nach ist es für jedes Kind, ob behindert oder nicht, eine Bereicherung, mit anderen konfrontiert zu werden. Kinder tun sich da auch leichter, Berührungsängste abzubauen und auf Menschen mit Handicap zuzugehen. Ich wünsche mir, dass noch viele Schulen diesen Schritt einer Integrationsklasse wagen und weniger die möglicherweise auf sie zukommenden Probleme sehen. Denn für die meisten Probleme findet man eine Lösung. Ich wünsche mir auch, dass immer mehr Eltern die Kraft und den Mut haben, ihr Kind an eine Regelgrundschule anzumelden und sich nicht abschrecken lassen. Denn nur wenn immer mehr behinderte Kinder integriert werden bzw. die Nachfrage groß genug ist, kann das auch zur Normalität werden. Ich wünsche mir noch viele so tolle Rektoren/-innen und Lehrer/-innen, die – wie in unserer Schule – für die Integration von behinderten Kindern offen sind. In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal bei Frau Schöttle, der Grundschule an der Berner Straße 6 und bei Josefines Klassenlehrerin Frau Lorentz bedanken und wünsche noch viele erfolgreiche Jahre!

Elke Knorr