Die Ausstellung „Seelenart“ in der Galerie Bezirk Oberbayern 

Ein etwas anderer Flyer für eine Kunstausstellung. Starke, kräftige Farben, Text, wie üblich, aber was sind das für Hubbel auf der Einladungskarte? Genaueres Hinsehen zeigt, es ist Brailleschrift, und das ist sinnvoll, denn in dieser Ausstellung kann man Objekte nicht nur sehen, sondern auch ertasten, was für blinde Menschen hilfreich ist. Ein Video in Gebärdensprache informiert Gehörlose über das, was hier gezeigt wird. 

In der Galerie des Bezirks Oberbayern in der Prinzregentenstraße besteht die Gelegenheit, die Preisträgerausstellung der Kunstwerke SeelenART 2024 anzusehen, sie wird noch bis zum 13. September gezeigt. Es ist eine unbedingt sehenswerte Ausstellung. Sie zeigt Werke von Künstlern und Künstlerinnen, die sich über die Kunst mit ihrer seelischen Gesundheit auseinandersetzen wollen. Gezeigt werden Arbeiten, die den oberbayerischen Kunstförderpreis der kbo (Sozialpsychiatrisches Zentrum gemeinnützige GmbH) in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Oberbayern gewonnen haben. Sie ist in den Ausstellungsräumen des Bezirks in der Prinzregentenstraße, gegenüber dem Haus der Kunst, zu sehen. 

Eine sehr vielfältige Ausstellung, ich nenne nur einige Titel: Die Seelenartindianer, Schubladendenken psychisch krank, Gute Zeiten – Ressourcenteppich, Pharmazeutische Gelage, Unfertige Gedanken … 
So vielfältig wie die Themen sind die Bilder und die Art der Darstellung, Collagen, Ölbilder auf Leinwand, Zeichnungen, Mixed Media, mal kräftig, knallig großflächig in Farbe, mal fein ziseliert und höchst sorgfältig ausgearbeitet, mal sehr gegenständlich und mal ganz abstrakt, aber immer eindrucksvoll. Zwei Bilder können sowohl mit als auch ohne 3-D-Brille betrachtet werden. Keine elektronische 3-D-Brille, sondern eine optische, bei der ein Glas rot und eines blau ist, setzt man sie auf, entsteht bei entsprechender Gestaltung des Bildes ein räumlicher Effekt. 

Mich hat am heftigsten „Die Seelenartindianer“ angesprochen, ein Bild von Susanne Jaekel in kracherten Acrylfarben auf Papier, aber das filigrane „Pharmazeutische Gelage“ von Laurin Fischer, eine Tuschzeichnung auf Papier, wo intensiv leuchtende kleine Lichtpunkte aus dem dunklen Hintergrund hervorstrahlen, machte mich ebenfalls an. Erinnerte an Paul Klee. 

Außerordentlich anregend ist „Schubladendenken ‚psychisch krank‘“ von Franziska Bergmer. Die Künstlerin hat eine Art Kommode mit 182 Schubladen aus Streichholzschachteln gebaut, in jeder Schublade findet sich ein Begriff, der mit psychischer Erkrankung in Verbindung gebracht werden kann, wie z. B. unberechenbar oder gefährlich oder seltsam. Die Künstlerin schreibt dazu: „Schubladendenken ist eine einfache Lösung, durch die (zu) viele auf Distanz gehen, die Thematik von sich weisen und sich gleicher fühlen als andere. (…) Gut überlegen muss sich jede/r psychisch Erkrankte, wem er/sie von seiner Erkrankung erzählen kann, ohne Stigmatisierung befürchten zu müssen. Es geht um mehr als nur darum, einer ‚uncoolen Minderheit‘ anzugehören.“ 

Ergänzend zu der Schubladenkommode gibt es eine weiße Tafel mit den Begriffen Psychisch krank (rot)/ weiß nicht (gelb)/ mental gesund (grün), und wer will (beziehungsweise: wer sich traut), kann entsprechend der eigenen Einschätzung von sich einen roten, gelben oder weißen Klebepunkt unter einen der Begriffe setzen.  

Es gibt übrigens auch einen Fragenkatalog, der die Gäste auffordert, sich mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen mit Fragen wie Was interessiert die Künstlerinnen und Künstler? Treibt sie etwas an? Was spricht Sie an? Warum? Was passiert, wenn Sie sich vor dem Kunstwerk hin und her bewegen? Was passiert, wenn Sie es berühren dürfen? Vor welchem Kunstwerk stehen Sie am liebsten? Warum ? Ist Ihnen ein Kunstwerk unsympathisch? Warum? Ändert sich das nach einer Weile? … 

Die letzte Frage heißt: Was nehmen Sie am Ende mit von dieser Ausstellung? Sie stellt sich allen, die die eindrucksvollen, feinen, groben, bunten, kräftigen, zarten, sehr gut gearbeiteten oder (anscheinend) hingerotzten Exponate betrachtet und sich damit auseinandergesetzt haben. Es lohnt sich. 

Übrigens, die Galerie ist barrierefrei und der Eintritt kostenlos. 

Jürgen Walla