LIEBE MITGLIEDER, FREUNDE UND SYMPATHISANTEN!

Ein Projekt, über das wir schon lange geredet haben, für das wir auch schon eine ganze Reihe von Informationen eingeholt und uns praktische Beispiele angeschaut haben, ist jetzt gestartet worden. Da wir noch keinen richtigen Namen dafür haben, nennen wir es vorläufg "Hand in Hand". Eine Schilderung von Johannes Maier über die CBF-Erkundungsfahrt nach Riedlingen, zu der wir auch Bewohner aus der Johann-Fichte-Straße eingeladen hatten, haben Sie ja bereits in der letzten Ausgabe gelesen. Heute folgt ein Bericht von Carola Walla, der Ihnen die Besonderheiten dieser Initiative vorstellen will. Denn der Eindruck, den wir in Riedlingen gewonnen haben, war so positiv und ermutigend, dass wir - dieses Beispiel vor Augen – jetzt in ähnlicher Weise in unserem Viertel konkret werden wollen. Kurz gesagt, geht es darum, ehrenamtliche Arbeit zu stärken und zu fördern, um sie im eigenen Wohngebiet in praktische Alltags- und Lebenshilfen für alle umzuwandeln.

Bericht von Frau Walla:

RIEDLINGEN IST MEHR ALS EINEN AUSFLUG WERT! Bei dem Artikel in der letzten Ausgabe der Clubpost zu Riedlingen konnte man den Eindruck gewinnen, wir seien nach Riedlingen gereist, um einen netten Ausflug zu machen (was es zweifelsohne auch war). Tatsächlich sind wir aber durch einen Artikel in Geo im Herbst letzten Jahres auf Riedlingen aufmerksam geworden, wo die "Seniorengenossenschaft Riedlingen" als ein Modell vorbildlichen bürgerschaftlichen Engagements gezeigt wurde.
Das Besondere an der "Seniorengenossenschaft Riedlingen" ist, dass hier Dienste angeboten werden, die es alten Menschen ermöglichen, bis zuletzt zu Hause zu bleiben.
Alte Menschen, die allein leben, können das oft nicht mehr und müssen gegen ihren Willen in ein Heim umsiedeln, weil sie nur mit den Leistungen eines Pflegedienstes und vielleicht einer Putzkraft nicht ausreichend versorgt sind. Die Seniorengenossenschaft Riedlingen bietet solche Dienste an, wobei sie nach dem Prinzip vorgeht: Wir bieten nur das an, was nicht schon andere vorhalten. Nach Erfragung der Bedürfnisse alter Menschen und behinderter Menschen (hier wird kein Unterschied gemacht) und ihrer Angehörigen sind in Riedlingen folgende Dienste entstanden:

  • Ein Handwerkerdienst, der Reparaturen vornimmt und Gartenarbeit und Schneeräumen ausführt,
  • ein Besuchsdienst,
  • ein Fahrdienst,
  • Essen auf Rädern,
  • "betreutes Wohnen" in zwei barrierefreien Wohnkomplexen,
  • und Tagespflege zur Entlastung pflegender Familienangehöriger.

Jeder, der Hilfeleistungen zu Hause erhält, hat eine Kontaktperson, die sich schwerpunktmäßig um ihn kümmert und mindestens einmal die Woche sich Zeit nimmt und vorbeikommt, um der Vereinsamung und auch dem ständigen Wechsel der Helfer entgegenzuwirken.
Das Besondere ist aber, wie die "Seniorengenossenschaft Riedlingen", die jetzt schon 17 Jahre lang erfolgreich arbeitet, ihre Dienste organisiert und verrechnet.
Für jede in Anspruch genommene Stunde werden 7,50 € erhoben.
Der Leistungserbringer erhält 6,15 €.
Mit der Differenz werden die anfallenden Sozialleistungen und Sachleistungen, wie z.B. Büroausstattung etc. finanziert. Helfer und Hilfesuchende müssen Mitglieder der Genossenschaft werden.

Aber jetzt kommt der Clou: Die Helfer können ihr Geld auch bei der Genossenschaft ansammeln: Eine geleistete Arbeitsstunde entspricht auch in 10 oder 20 Jahren einer Helferstunde. Das heißt, man kann solange man noch jung und rüstig ist für Zeiten vorsorgen, wo man selber auf Hilfe angewiesen ist. Möglich ist auch, dass man sich einen Teil ausbezahlen lässt und den anderen anspart. Für viele jüngere Rentner gleichzeitig eine gute Möglichkeit, ihre Rente aufzubessern. Kein Wunder, dass die Seniorengenossenschaft Riedlingen über weit mehr Helfer verfügt als sie tatsächlich einsetzen kann.

Die Seniorengenossenschaft Riedlingen ist im Ort sehr gut verankert, alle wichtigen Vereine oder Institutionen des Städtchens sind eingebunden. Sie leiht bei Bedarf ihre Helfer auch an andere soziale Einrichtungen und Dienste aus. Bedingung ist lediglich, dass die Leistungen der Helfer für den gleichen Preis wie bei der Genossenschaft weitergegeben werden.

Vorbildlich ist auch des betreute Wohnen in Riedlingen. Man merkt einfach bei allem, was die Seniorengenossenschaft in Angriff nimmt, wie hier die Bedürfnisse der alten Menschen im Vordergrund stehen und nicht die Verwertunginteressen von Bauträgern. Da es in Riedlingen keinen barrierefreien Wohnraum gab, entstand die Idee zu zwei Wohneinheiten mit barrierefreien Wohnungen. Diese Gebäudekomplexe sind einmal direkt in der Altstadt oder nur über eine Brücke von der Altstadt entfernt, wo die alten Menschen sich direkt im Geschehen befinden und alle Geschäfte des täglichen Bedarfs zur Verfügung haben. Der Betreuungsvertrag mit Option auf spätere Leistungen (inklusive Notruf) kostet lediglich 18 € im Monat, in München zahlt man für "betreutes Wohnen" bei Einrichtungen in München wie dem Mathildenstift oder dem Vinzenzrondell allein mehrere 100 € dafür, dass man bei Bedarf Pflege und hauswirtschaftliche Dienste erhalten kann, wenn man die dann tatsächlich braucht, werden sie alle wie Pflege abgerechnet, also praktisch unbezahlbar. Während sie in Riedlingen für den Kostensatz der Genossenschaft bezogen werden können. Falls Grundpflege nötig wird, übernimmt das die Sozialstation.

Für uns sind die Erfahrungen von Riedlingen Anstoß darüber nachzudenken, wie wir die Idee der Seniorengenossenschaft auch in München verwirklichen können. Natürlich wollen wir das nicht eins zu eins kopieren, denn der Bedarf sieht in München etwas anders aus, da es eine Reihe von Diensten gibt, die in Riedlingen nicht vorhanden waren. Aber das grundsätzliche Problem, dass ausreichende Hilfen fehlen, um frohen Mutes und gut versorgt bis zu seinem Lebensende im eigenen Zuhause zu bleiben, gilt es auch hier zu lösen.

Hier der Link: Seniorengenossenschaft Riedlingen