Die Zeit des lockdown hat mein Leben nur wenig verändert, denn so oder so sitze ich die meiste Zeit am PC und kommuniziere über E-Mail, Skype, WhatsApp, Ring Central. Trotzdem habe ich natürlich die Treffen mit Verwandten und Freunden schmerzlich vermisst, aber das kann man ja aushalten und wieder nachholen, Es gibt viele Menschen, die wesentlich schwerere Probleme haben.
Dennoch will ich auf etwas hinweisen und ein wenig Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Hörbehinderte jetzt auf etwas Rücksicht angewiesen sind.
Zuerst die Maskenpflicht. Sie wird uns wohl lange erhalten bleiben und ich kenne keinen Menschen, der gerne eine Maske über Mund und Nase trägt. Sie ist zu warm, die Brille beschlägt, man braucht keine Covid-19 Erkrankung, um damit Atemnot zu bekommen, die Sicht ist eingeschränkt und; und; und …
Aber sie ist ein Akt der Rücksicht und des Respekts gegen andere und daher tragen wir sie selbstverständlich.
Eine Strafverschärfung gibt es aber für Menschen, die aufs Lippenlesen angewiesen sind. Wenn man zu dieser Gruppe gehört, ist es schon sehr gewöhnungsbedürftig, das Mit-Corona-Leben. Unsereins sieht ja nicht einmal, wenn jemand uns anspricht. Und wenn wir es daran merken, dass jemand uns intensiv anstarrt, verstehen wir kein Wort.
An der Bushaltestelle – eine Dame mit Rollator kommt auf mich zu und spricht, gerade als der Bus kommt. Hätte sie Hilfe beim Einsteigen gebraucht? Wollte sie das Fahrziel wissen? Keine Ahnung – es war auch nicht genug Zeit um ihr zu erklären, dass sie aufschreiben muss, was sie von mir wissen will. Verkäuferinnen und Kassiererinnen fragen manchmal etwas, aber ich kann nur die Schultern zucken. Ich könnte mir ein Schild umhängen, auf dem steht „leider .. ich verstehe kein Wort …“ T-Shirts bedrucken lassen … immerhin wüssten sie dann, dass ich nicht verstehe.
Das Internet ist in dieser Zeit ein Segen, aber immer mehr wird das Internet zu einem auditiven Medium und Schwerhörige oder Gehörlose haben das Nachsehen. Wenn ich spanische oder amerikanische Nachrichtensender sehe, ist immer ein Gebärdendolmetscher im Bild und es sind Untertitel da. Bei den Ansprachen der Deutschen Regierungsvertreter – nichts. Jedenfalls nicht im Internet, wo ich die Nachrichten abhole. Mit einigem Suchen findet man dann wohl Transkripte oder Zusammenfassungen. Aber es sollte doch selbstverständlich sein, dass derartige Videos untertitelt sind.
Ebenso sind die Videochats geradezu explodiert und Hörende sind damit gut vernetzt. Für Schwerhörige ist es leider nicht so einfach. Es gibt manchmal Untertitel. Besser als nichts, zugegeben. Aber erstens sind sie nicht zuverlässig sichtbar, zweitens sind sie – je nach Sprecher – mal sehr gut und mal überhaupt nicht verständlich, drittens ist es sehr anstrengend, längere Passagen mit schlechter Untertitelung zu verfolgen.
Es heißt ja oft „Schwerhörigkeit macht einsam“ und das gilt in dieser Zeit noch viel mehr.
Christiane Maier-Stadtherr
Die Zeit nach Corona - Lippenlesen?
- Details