Am 11. April 2024 fand in München das Projekt „Die Rückkehr der Namen“ statt. Mit diesem Projekt wollte der Bayerische Rundfunk mit Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München an 1.000 Münchnerinnen und Münchner erinnern, die während des NS-Zeit ermordet wurden. An die Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurde mit großen Gedenktafeln erinnert, die von Patinnen und Paten aus den Opfergruppen, anderen Organisationen, der Münchner Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit getragen wurden. Ab 15 Uhr standen diese Paten und Patinnen an vielen Punkten der Innenstadt. Ich selbst war auch Patin und zwar von Katharina Schosser, die am 19.04.1877 geboren wurde. Sie war gelernte Damenschneiderin und hatte ein eigenes gut laufendes Geschäft. 1916 wurde sie von ihrer Mutter erstmals in die Nervenklinik gebracht, weil sie Verfolgungsängste entwickelt hatte. Sie verbrachte acht Monate in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar. Damit fing für sie das Unglück an, denn nach der Entlassung aus der Heil- und Pflegeanstalt waren sowohl ihre Wohnung, als auch ihre Möbel weg. Sie wechselte dann mehrmals die Unterkünfte, bis sie schließlich am 22.01.1940 wieder in Eglfing-Haar eingewiesen wurde. Am 24.06.1941 starb sie dort an den Folgen von Vernachlässigung, das bedeutet, dass ihr eine wichtige medizinisch indizierte Behandlung vorenthalten wurde.
Ich hatte mich schon vor längerer Zeit mit dem Thema Euthanasie befasst, aber dieses Erinnerungsprojekt hat doch wieder einiges aufgewühlt. Ich bin gerade einmal 13 Jahre nach Kriegsende geboren. Als ich mich jetzt wieder näher mit dem Thema beschäftigte, las ich in einer sehr guten Broschüre, die vom kbo-Isar-Amper-Klinikum herausgegeben wurde (Kontakt-E-Mai:
Mich erschüttert das, obwohl ich ja schon davon gehört hatte, von Neuem sehr. Hier ging es um die Schwächsten der Schwachen, vor denen krude Vererbungsideologien arroganter Ärzte und Bürokraten nicht haltmachten. Die Kinder waren absolut ausgeliefert und konnten auf keinerlei Schutz hoffen. Mir schießt durch den Kopf, wie Politiker der AfD sich 2022 in ihrem Wahlprogramm zum Thema Inklusion äußerten: „Eine erzwungene Inklusion (...) darf nicht weiter stattfinden und muss sofort beendet werden“. Im Februar 2019 nennt die Niedersachsen-AfD Inklusion ein „Auslaufmodell“, „ein schwarzes Loch“, eine „Utopie, die zu großen Katastrophen“ führe. Da wird mir angst und bange!
Durch dieses Erinnerungsprojekt ist mir wieder einmal so deutlich geworden, dass es unendlich wichtig ist, dass sich Menschen mit Behinderungen, anderen Nationalitäten oder Religionen oder anderen sexuellen Orientierungen zeigen, wo immer es möglich ist. Wir müssen klarstellen: Wir lassen uns nicht von verwirrten Geistern vorschreiben, wo und wie wir zu leben haben und welche Lebensäußerungen wir von uns geben dürfen. Wir gehören dazu!
Deshalb dürfen wir die Opfer von damals nie vergessen – und wir tun alles, dass so etwas nie wieder geschieht.
Renate Geifrig