Werbespots klären die Zuschauer nicht nur darüber auf, welche Produkte sie angeblich benötigen und deshalb konsumieren sollen, eine Analyse der beworbenen Produktpalette sagt vielmehr stets auch viel über die jeweilige Gesellschaft aus und die Werbespots sind immer ein Abbild derselben und spiegeln deren Werte und Überzeugungen wider.
Während früher Geschirrspül- und Waschmittel heftig beworben wurden (Warum nur? Ein Schelm, wer Hintergründiges dabei denkt …) und das traditionelle Familienbild in vielen Werbespots Grundlage war, stehen heute, in einer alternden Gesellschaft erstaunlich viele Medikamente, etwa gegen Vergesslichkeit oder Blasenschwäche, im Vordergrund und traditionelle Rollenbilder von Vater und Mutter verwischen auch in den Werbefilmchen.
Andere Spots spielen geschickt mit deutschen Stereotypen, um sie letztlich als Stärken des Produkts zu kennzeichnen. So wird jede Gelegenheit, Werbefernsehen zu schauen, zu einem Anschauungsunterricht.
Egal, ob ich vor dem Fernseher oder im Kino, zu Hause oder auf Reisen im In- oder Ausland bin, überall schaue ich mir deshalb gerne die jeweils ausgestrahlten Werbespots an.

Kürzlich war ich beim Schauen eines solchen Werbespots aber zunächst belustigt, dann irritiert und schließlich verärgert. Was war passiert?

Ein Pharmaunternehmen bewirbt ein bekanntes Schmerzgel mit einem Werbespot, in dem ein im Erstklässler-Alter befindlicher Junge offenbar einen Nachmittag bei seiner Großmutter verbringen muss und dies mit einem lauten Seufzer und den Worten „Wenn Oma Knieschmerzen hat, wird’s bestimmt langweilig.“ kommentiert. Darauf erfolgt ein Schnitt, aus dem Off ist die Stimme des Jungen mit den Worten „ Was ist denn mit Oma los?“ zu hören und der Zuschauer sieht eine ausgelassene und topfite Best Agerin, die mit dem Jungen ausgelassen herumtollt. Nachdem der Werbespot dann das Geheimnis für die körperliche Fitness der Dame verraten hat, nämlich eben das beworbene Schmerzgel, endet er mit den Worten des Jungen „Ich mag meine neue Oma.“ während die Großmutter gutgelaunt zwei Hüpfbälle ins Bild trägt.
Legt dieser Werbespot nicht die Annahme nahe, das Zusammensein mit einer Person mit einer körperlichen Einschränkung, hier den Knieschmerzen, sei langweilig?
Der Hersteller des Schmerzgels und die den Werbespot verantwortende Agentur werden dies sicherlich verneinen und darauf verweisen, dass die zitierten Kommentare nur aus der Sicht eines Kindes erfolgen. Dieses sehe sich in seinem Bewegungsdrang und seiner Abenteuerlust aber eben gebremst, wenn die Aufsichtsperson nicht genauso mobil ist wie es selbst. Das mag zwar sein, greift aber zu kurz. Auch wenn die Macher des Spots selbst keinerlei Aussage dahingehend treffen, suggeriert die unwidersprochen wiedergegebene Meinung des Kindes doch, dass Spaß allein auf körperliche Aktivitäten zu reduzieren und alles andere langweilig ist. Anstatt ein differenziertes Bild zu zeichnen, kommt so beim Zuschauer allein diese Botschaft an.
Filme wie „Ziemlich beste Freunde“ haben aber anschaulich gezeigt, dass das Beisammensein mit Menschen mit Einschränkungen auch lustig, vergnüglich und spannend sein kann, dass sich ein unterhaltsamer und ausgefüllter Nachmittag eben nicht nur auf körperliche Fitness gründen muss und auch die Oma mit Knieschmerzen dem Enkel einen erlebnisreichen Nachmittag zu bieten imstande ist, der keinesfalls als langweilig zu bezeichnen wäre. Dieser Werbespot legt das Gegenteil nahe und hinterlässt aus meiner Sicht einen bitteren, weil behindertenfeindlichen Nachgeschmack.
Von einem Pharmaunternehmen hätte ich mir da mehr Sensibilität gewünscht.

Wolfgang Vogl