Kleine Geschichte des Hauses Lindwurmstraße 205
Kronensaal
Das Wohn- und Geschäftshaus Lindwurmstraße 205 wurde 1897 bis 1899 vom „Bautechnischen Büro Rosa Barbist“ im Neorenaissancestil gebaut. Ein Architekturbüro zu leiten war Ende des 19. Jahrhunderts für eine Frau sehr ungewöhnlich
(www.kmkbuecholdt.de/historisches/sonstiges/Architektinnen1.htm). Und doch hat ihr inzwischen fast vergessenes Architekturbüro zwischen 1895 und 1908 weiter 53 große Mietshäuser in München gebaut.
Rosa Barbist war das Studium der Architektur an einer Universität wahrscheinlich verwehrt, da Frauen in Bayern erst ab 1903 zugelassen wurden, aber damals war nicht jeder, der ein Haus entwarf oder baute, ein studierter Architekt – und erst recht keine studierte Architektin! (baylakof.userweb.mwn.de/AustelFraustud.html). Im Erdgeschoss eröffnete nach der Fertigstellung im Jahr 1900 das „Gasthaus Frohsinn“. Zehn Jahre später kauften die Eheleute Gutmann das Haus und eröffneten 1912 im Erdgeschoss ihr „Kaufhaus Gutmann“. 1934 wurden die Gutmanns von den Nazis gezwungen, das Kaufhaus aufzugeben. Damit auch das Gebäude „arisiert“ werden konnte, wurde Emanuel Gutmann in der Pogromnacht 1938 ins Lager Dachau verschleppt und ihm der Verzicht auf das Haus abgepresst. Das Ehepaar musste ins jüdische Altersheim in der Kaulbachstraße umziehen und wurde im Juni 1942 von dort ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. In diesem KZ wurde er 1943 und sie 1944 ermordet.
Im April 2013 verlegte Bildhauer Gunter Demnig direkt vor dem Eingang auf dem Privatgrund der Lindwurmstraße 205 zwei Stolpersteine für die Eheleute Gutmann. Am 10. November 2013 fand vor dem Haus eine Gedenkveranstaltung (von vielen) anlässlich des 75. Jahrestags der Reichskristallnacht statt. Die Initiative Historische Lernorte Sendling will in einer für 2014 geplanten Ausstellung die Geschichte der Familie Gutmann aufzeigen.
Nach der „Arisierung“ wurde das Haus von der Carl Sattler Hausbesitz-Verwertung-Verwaltung an Herrn Josef Rauch aus Plattling verkauft und hieß dann ‚Textilwaren Albert Helfferich‘. 1979 wurde ein Schleckermarkt auf der Gewerbefläche eingerichtet. Das Ende der Schleckerära krönte eine „Große Schlecker-Abrissparty“ am 6. März 2010. Nach dem Rückbau zur Gaststätte gab das Wu Wei ein kurzes Zwischenspiel und nun, seit dem September 2013, ist der Kronensaal eingezogen – womit wir endlich beim Hauptthema der Lokalkolumne angelangt sind. Die Sendlinger Gastronomie hat einen Gourmettempel bekommen, es gibt eh noch nicht viele hier und für Rollifahrer geeignete schon gleich dreimal nicht. Der Kronensaal ist ganztags geöffnet, es gibt das volle Programm – Frühstück - nach dem Baukastenprinzip und bis 17 Uhr, Mittagessen mit zwei günstigen Gerichten, Kaffee & Kuchen und Dinner à la Carte. Es soll noch ein Tresen gebaut werden, an dem es dann Häppchen geben wird. Das Geschäft führen Reinhard Angerer, der die Kochschule bei Kustermann leitet, und Steffen Eickhoff, der einen Weinhandel mit spanischen Weinen und das nahe spanische Restaurant „Centro Espanol“ betreibt, welches aber leider für uns ungeeignet ist.
Hanne Kamali