Mittlerweile herrscht Übereinstimmung darüber, dass nicht alles, was der wissenschaftliche Kenntnisstand ermöglicht, auch ethisch erwünscht ist und daher rechtlich erlaubt sein sollte. Trotz dieser Einigkeit bei allen politischen Parteien gestaltet es sich im Einzelfall äußerst schwierig, zu Lösungen zu gelangen, die von allen getragen werden. Ein geradezu klassisches Beispiel für dieses Dilemma ist die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID).
Bei dieser erst seit Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrunderts praktizierten Methode werden künstlich befruchtete Eizellen auf genetische Defekte hin untersucht, mit dem Ziel, der zukünftigen Mutter nur einen gesunden Embryo einzupflanzen. Da eine ausdrückliche rechtliche Regelung dieses Verfahrens fehlte, hielt man es lange Zeit für unzulässig. Im Jahre 2010 erlaubte der Bundesgerichtshof jedoch die PID in eng begrenzten Ausnahmefällen (beim Vorhandensein genetischer Belastungen der zukünftigen Eltern, die zu einem Abort, einer Totgeburt, einem Versterben des Säuglings nach der Geburt oder der Geburt eines behinderten Kindes führen können). Dieses Urteil führte in der Folgezeit zu einer lebhaften und auch innerhalb der jeweiligen Parteien kontroversen Diskussion über die rechtliche Behandlung der PID, die schließlich im November 2011 in die Verabschiedung eines Präimplantationsdiagnostikgesetzes (PräimpG) mündete. Dieses Gesetz regelt im Wege einer Ergänzung des bestehenden Embryonenschutzgesetzes die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der PID und die Einzelheiten ihrer Durchführung (wir haben in der Januar-Ausgabe 2012 darüber berichtet). Wichtige Einzelfragen sollten jedoch erst im Rahmen einer Verordnung der Bundesregierung beantwortet werden, welcher der Bundesrat zustimmen musste. Dies betraf insbesondere Anzahl und Voraussetzungen für die Zulassung von Zentren, in denen die PID durchgeführt werden darf, sowie Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen für PID (deren Zustimmung Voraussetzung für die Durchführung der PID ist). Da längere Zeit nichts passierte, konnte die gesetzlich vorgesehene PID faktisch nicht durchgeführt werden. Im November 2012 legte die Bundesregierung einen vom Bundesgesundheitsminister vorbereiteten Entwurf vor. Diese „den Geist des Laissez-faire-Liberalismus“ (so die FAZ vom 2. Februar 2013) atmende Verordnung wurde jedoch von allen Seiten derart heftig kritisiert, dass bis zuletzt fraglich war, ob der Bundesrat zustimmen würde.
In seiner ersten Sitzung im Februar dieses Jahres hat dieser jedoch seine Zustimmung erteilt, wenn auch unter Auflagen. So soll eine Konzentration auf wenige PID-Zentren unter Berufung auf die Kriterien des Bedarfs und des öffentlichen Interesses erreicht werden. Außerdem sind Entscheidungen der Ethikkommissionen mit Zweidrittelmehrheit zu treffen, und neben medizinischen Belangen müssen zwingend auch ethische, soziale und psychische Aspekte berücksichtigt werden. Laut Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums sollen diese Auflagen bei einer Überarbeitung der jetzigen Verordnung berücksichtigt und dann dem Kabinett zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden. Ob damit alles gut ist, muss sich erst noch zeigen. Daher werden wir auf die Angelegenheit zurückkommen, sobald der endgültige Wortlaut dieser Verordnung beschlossen ist.
Wolfgang Vogl