Herbstfest am 24.11.2024 - Kommt alle! meldet euch an! Einladung hier.

vorgestellt vom CBF München

Meine Praxis befindet sich im dritten Stock eines Altbaus ohne Aufzug. Ich kann sie leider nicht behandeln!“, sagt der Arzt bedauernd zum Rollstuhlfahrer.
„Meine Praxis befindet sich glücklicherweise im dritten Stock eines Altbaus ohne Aufzug. Da kommt kein Rollstuhlfahrer hin!“, sagt ein anderer Arzt hinter vorgehaltener Hand zu seinem Kollegen.


Wo liegen die Probleme?
Zum einen: bei der Architektur. In einem Altbau lässt sich die Zugänglichkeit häufig nicht verbessern. Auch bei Neubauten ist der hindernisfreie Zugang nicht unbedingt gewährleistet. Warum? Die Architekten halten die Normen für barrierefreies Bauen nicht immer ein. Die Baubehörden nehmen den Bau gelegentlich auch dann ab, wenn er nicht barrierefrei ausgeführt wurde. Und auch wenn die mangelnde Barrierefreiheit beanstandet wird, gibt es oft keine Sanktionen.
Außerdem – In der  Ausbildung zum Architekten kommt barrierefreies Bauen nicht vor.
Wenn doch, dann sind die Kurse nicht verpflichtend. Freiwillig aber interessieren sich wenige Studenten dafür. Denn Behinderte haben in unserer Gesellschaft keine Lobby. Sie haben keinen Stand, keinen Glanz und damit oft auch keine Berechtigung. Sie sind häufig das Gegenteil von jung, fit und dynamisch – zumindest äußerlich.
Trotz allem – die Lage bessert sich. Barrierefreies Bauen ist längst in der Bayerischen Bauordnung festgeschrieben. Jetzt halten sich Bauherren und Architekten immer öfter daran.
Zweites Problem: die Krankenkassen.
Es sind die Krankenkassen, die dem Arzt die Behandlung behinderter Menschen erschweren. Der Arzt selbst muss gar nicht behindertenfeindlich sein. Doch er weiß, dass er für die Behandlung eines Behinderten oft mehr Zeit benötigt als für die üblichen Patienten: Ein geistig Behinderter muss erst Vertrauen fassen, bevor er behandelt werden kann. Einen Rollstuhlfahrer auf eine Liege zu legen, dauert länger als bei einem anderen Patienten. Der Arzt aber wird pauschal bezahlt, egal wie lange er für einen Patienten braucht.
Dies und andere Probleme wurden erörtert beim Informationsabend „Wie rolle ich zum Arzt?“, zu dem der CBF München eingeladen hatte. Denn der CBF (Club Behinderter und ihrer Freunde e.V.) arbeitet seit drei Jahren an einer Suchmaschine, mit deren Hilfe jeder Nutzer barrierefreie Arztpraxen im Internet finden kann. Und – das war die frohe Botschaft des Abends – viele Praxen sind schon barrierefrei und es werden mehr! Es gibt auch bereits eine Zahnarztpraxis, die speziell zur Behandlung behinderter Menschen eingerichtet wurde. Dr. Marc Auerbacher hat sie vorgestellt. Außerdem meldete sich Dr. Wuttge zu Wort, der eine weitgehend barrierefreie Röntgenpraxis führt.
Aber – es bleibt noch viel zu tun. Barbara Wiedenmann, die die „Barbara-Rauck-Stiftung“ ins Leben gerufen hat, schilderte an diesem Abend, welche Schwierigkeiten sie als Rollstuhlfahrerin hat, wenn sie eine barrierefreie Facharztpraxis sucht. Sie hatte die Idee mit der Suchmaschine, die der CBF derzeit aufbaut, und ihre Stiftung beteiligt sich an der Finanzierung der akribischen Arbeit, die dazu notwendig ist. Dafür erhielten Frau Wiedenmann und der CBF München stürmischen Beifall. Denn viele von den anwesenden Rollstuhlfahrern haben mit Hilfe der Suchmaschine gefunden, was sie brauchen: die barrierefreie Praxis in ihrem Viertel! Sie kennen auch den CBF seit fast 40 Jahren, und schätzen seine professionelle Arbeit. Dafür wurde vor allem Hanne Kamali gelobt – sie leitet eine Helferschar von Behinderten und Nichtbehinderten an, die in die Praxen geht, um die notwendigen Daten zu sammeln. Wenn eine Praxis barrierefrei ist, werden ihre Daten in eine Liste übertragen.  Und Christiane Maier-Stadtherr programmiert die Suchmaschine professionell. Sie ist Spezialistin in Sachen „Barrierearmer Internetauftritt“ und veröffentlichte vor kurzem zusammen mit Kollegen das Buch „Joomla!-Extensions entwickeln“.
Fazit: Ein anregender Abend, ein erfolgreicher Abend! Und auch das Bayerische Sozialministerium interessiert sich für unsere Arbeit: Hanne Kamali hat Mitte Oktober dort einen Vortrag zum Thema „Barriere frei Arztpraxen, erfasst von der Suchmaschine des CBF München“ gehalten

Ingrid Leitner