„Behinderung heißt Armut und Diskriminierung“, unter diesem Titel führte der Behindertenbeirat München am 26.06. eine gut besuchte Veranstaltung mit BundestagskandidatInnen von CSU, SPD, FDP und Linke (die Kandidatin der Grünen war leider nicht erschienen) durch, die auch jetzt ausnahmslos bereits Mitglieder des Bundestages sind.
Der Behindertenbeirat hatte diese Veranstaltung sehr sorgfältig vorbereitet und auch eine Broschüre zu dem Thema erstellt (zu erhalten über die Geschäftsstelle des Behindertenbeirats München).
Anhand von realen Beispielen wurde den KandidatInnen in der Veranstaltung die finanzielle Situation von behinderten Menschen und ihrer Angehörigen erläutert und dazu die Forderung erhoben, dass Hilfe zur Pflege nicht mehr einkommens- und vermögensabhängig gewährt werden soll.
Die Kandidatin der Linken, Kornelia Möller, konnte sich da recht gut darstellen, hatte doch ihre Fraktion einen Gesetzesentwurf zu einem Nachteilsausgleichsgeld für Menschen mit Behinderung eingebracht, der allerdings bei der Stimmenverteilung im Bundestag keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Die übrigen Kandidaten zeigten sich im Hinblick auf anzustrebende Veränderungen zwar aufgeschlossen, blieben aber bei den konkret einzuschlagenden Schritten unbestimmt: so betonte der Kandidat der SPD, Axel Berg, gleich zu Beginn, dass in den nächsten Jahren die Umsetzung der ja auch von seiner Partei verabschiedeten UN-Behindertenrechtskonvention auf der Tagesordnung stehe und hier die besondere Benachteiligung von Menschen mit Behinderung beseitigt werden sollte, konnte aber nichts Konkretes sagen, wie das aussehen wird – auch, weil die Behindertenpolitik nach seiner eigenen Aussage nicht sein Fachgebiet in der Fraktion sei; ebenso wenig konnten Rainer Stinner von der FDP und Johannes Singhammer von der CSU erläutern, worin im Einzelnen die für notwendig erachteten Änderungen bestehen und wie sie aussehen sollen. Letzterer sprach sich zwar im Hinblick auf die Forderung nach einkommens- und vermögensunabhängiger Hilfe zur Pflege zumindest für eine Heraufsetzung der seiner Meinung nach indiskutablen Vermögensfreibeträge aus. Angaben zur Höhe machte er jedoch nicht, offenbar weil er auch nicht wusste, dass die CSU in Bayern gerade beschlossen hat, eine solche Heraufsetzung zu fordern, ansonsten hätte er doch sicher eine bestimmte Höhe nennen können. Während auch Herr Stinner und Herr Berg eine Erhöhung der Vermögensfreibeträge befürworteten, lehnten alle anwesenden Herren jedoch eine vermögens- und einkommensunabhängige Unterstützung ab, die nach dem recht populistischen Beispiel von Axel Berg ja dann auch einer Frau Schäffler vom Staat gewährt werden müsste – wenn sie denn behindert sei. Es sei schon richtig, dass nur gefördert wird, wer bedürftig ist. Leider war dann gar nicht weiter Thema, dass gerade das aber eine Diskriminierung darstellt und dass Frau Schäffler ruhig Hilfe zur Pflege bekommen könnte, wenn sie denn vorher genügend Steuern auf ihr Vermögen und ihr Einkommen abführen muss. Schließlich gehen die Kinder von Milliardären auch (sofern sie öffentliche Schulen besuchen) unentgeltlich zur Schule und fahren auch wie alle anderen im öffentlich geförderten Nahverkehr (na ja, jedenfalls könnten sie, wenn sie wollten). Auch Leistungen von der Pflegeversicherung bekommt jedes Mitglied der Pflegekasse, unabhängig von Einkommen und Vermögen.
In der Diskussion wiesen gerade Mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte auf deren unhaltbare finanzielle Situation hin. Außerdem wurde von einem Vertreter des Seniorenbeirats auf die Initiative zur Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes für Medikamente verwiesen. Diese werden nämlich mit 19 Prozent besteuert und dieser hohe Steuersatz belastet insbesondere chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen, wohingegen beispielsweise Blumen als reiner Luxusartikel nur mit 7 % besteuert werden.
Dazu befragt, meinte Axel Berg, dass wir uns keine Vorstellungen machen würden, welche Lobby die Blumenhändler in Berlin hätten. Keiner der Herren wollte sich insoweit festlegen, einig war man sich jedoch, dass mit den Mehrwertsteuersätzen insgesamt etwas geschehen müsse
Für mich hat diese Diskussionsveranstaltung gezeigt, dass wir in Zukunft darauf achten sollten, zu unseren Themen Sozialpolitiker der Parteien einzuladen, denn ein intensives Abklopfen der Standpunkte der Parteien auf diesem Gebiet war so gar nicht richtig möglich und die Diskussion war auch etwas lahm. Oder sind die Standpunkte doch ähnlicher als wir glauben? Angenehm war jedenfalls, dass sich die Bundestagskandidaten aber keine Wahlschlacht geliefert haben, sondern recht sachlich und unaufgeregt diskutierten.
Carola Walla
Parteien und Behindertenpolitik
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