Als der italienische Schriftsteller Dante Alighieri im Jahre 1300 die in seiner Göttlichen Komödie beschriebene Reise durch Hölle, Fegefeuer und Paradies begann, war er 35 Jahre alt und dementsprechend lauteten auch seine ersten Worte „Es war in unseres Lebensweges Mitte“. Nun wird die Lebenserwartung in jener Zeit zwar noch bedeutend niedriger als heute gewesen sein, 35 Jahre sind jedoch auch für den CBF Grund genug, sein Bestehen zu feiern, auf das Erreichte zurückzublicken und neue Ziele anzupeilen.
So fand am Dienstag, dem 16. Juni, um 11.00 Uhr im Großen Saal des Münchner Stadtmuseums eine Jubiläumsfeier statt, zu der neben zahlreichen Mitgliedern und an der Arbeit des CBF interessierten Gästen auch Vertreter aus der Behindertenarbeit und der Politik gekommen waren.
Dabei schien sich der Besuch der Feier bis zuletzt äußerst schwierig zu gestalten: noch um 9.45 Uhr schüttete es aus Kübeln, so dass für viele gar nicht daran zu denken gewesen wäre, bei diesen Witterungsbedingungen das Haus zu verlassen und bis zum Stadtmuseum zu fahren. Doch bereits um 10.00 Uhr hörte der Regen auf und bald zeigte sich sogar die Sonne, so dass jeder trockenen Fußes die Feier erreichen konnte.
Da die Vorsitzende des CBF, Frau Dr. Leitner, wenige Tage vorher ins Krankenhaus eingeliefert werden musste und die Feier zum Bedauern aller Gäste nicht selbst leiten konnte, übernahm der übrige Vorstand stellvertretend diese Aufgabe: so eröffnete Frau Walla die Feier und blickte nach besonderer Begrüßung einiger der Erschienenen kurz auf die Tätigkeit des CBF in den vergangenen 35 Jahren zurück. während Herr Sickinger danach das mittlerweile zahlenmäßig erfolgreichste Projekt des CBF vorstellte, nämlich die Reiseabteilung „Raus aus dem Haus“. Allein der Vergleich des Zahlenmaterials aus den Jahren 2006 und 2008 belegte eindrucksvoll, dass mit den angebotenen Tages- und Wochenreisen eine Lücke innerhalb der bestehenden Reisemöglichkeiten geschlossen wurde. Auch wenn nicht notwendigerweise jede Fahrt wie der von Herrn Sickinger geschilderte Konzertbesuch enden sollte, bei der statt der 31 angemeldeten Teilnehmer 32 Personen zurückkehrten, weiter steigenden Zuspruch möchten auch wir an dieser Stelle Herrn Sickinger und seinem Team von „Raus aus dem Haus“ wünschen. Zum Abschluss ließ Herr Sickinger noch eine Schärpe an Frau Dr. Leitner überreichen, die stellvertretend Frau Dr. Kern entgegennahm. Mit der Schärpe hatte es eine besondere Bewandtnis: die auf ihr befindlichen Münzen symbolisieren nämlich die Jahre des Bestehens des CBF und sind je nach mehr oder weniger gutem Verlauf heller oder dunkler gefärbt.
Im Anschluss an diese gewissermaßen CBF-interne Nabelschau überbrachten zwei Vertreter aus der Politik Grußworte: Nachdem sich der CBF in den vergangenen Jahren neben seinem Münchener Tätigkeitsschwerpunkt dank des unermüdlichen Einsatzes von Hermann Sickinger auch intensiv in Germering engagiert und dort insbesondere die Projekte „Daheim in unserem Viertel“ und „Raus aus dem Haus“ bedeutend vorangetrieben hat, waren dies die 2. Bürgermeisterin von München, Christine Strobl, sowie der Oberbürgermeister von Germering, Andreas Haas.
Wie es bei Grußworten so üblich ist, enthielten beide Beiträge zunächst eine Würdigung der Rolle des CBF im Rahmen der Behindertenarbeit. Danach setzten die beiden Redner aber unterschiedliche Schwerpunkte, die gleichermaßen interessant erscheinen. Frau Strobl rief den CBF dazu auf, auch weiterhin seine Rolle als Lobbyist im positiven Sinn für die Belange behinderter Menschen wahrzunehmen, da die Politik oft nicht aus böser Absicht, sondern schlichtweg aufgrund nicht vorhandenen Problembewusstseins Behindertenbelange bei ihren Entscheidungen nicht berücksichtige. Behinderte und nicht zuletzt der CBF als deren Sprachrohr sollen danach also auch in Zukunft aktiv ihre Rechte und Positionen äußern und in Entscheidungsprozesse einbringen, wodurch nach Angaben Frau Strobls der CBF ja in der Vergangenheit maßgeblich zum Beispiel einen barrierefreien Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und eine Absenkung der Gehsteige an Straßeneinmündungen bewirken konnte. Ein schönes Kompliment für den CBF und eine Ermutigung für dessen zukünftige Tätigkeit!
Herr Haas wiederum wies darauf hin, wie sehr die Initiativen des CBF Leben und sozialen Zusammenhalt in Germering prägen. Die sich gleichermaßen an behinderte und nicht behinderte Menschen richtenden Projekte wie „Raus aus dem Haus“ oder die Malgruppe führen zu einer Erhöhung der Lebensqualität, die – aus Germeringer Sicht naturgemäß – eine höhere Lebenserwartung und bessere Gesundheit bedingen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte der CBF dann sein aktuelles Projekt vor: das Ärzteprojekt. Dazu ergriff zunächst Frau Wiedenmann, Vorsitzende der Barbara-Rauck-Stiftung „Comeback“ Querschnittgelähmter das Wort. Ausgehend von ihrer eigenen Situation als Rollstuhlfahrerin schilderte Frau Wiedenmann den Zuhörern, wie das hehre Prinzip der freien Arztwahl für Rollstuhlfahrer in der Praxis durch ganz banale Gesichtspunkte wie Erreichbarkeit und Zugänglichkeit der Praxis ausgehöhlt wird und bauliche Gegebenheiten innerhalb der Praxis eine effektive medizinische Versorgung erschweren und im Extremfall sogar zu einer Gefährdung der Gesundheit führen können. Da vor diesem Hintergrund eine Kenntnis der spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Arztpraxis, also insbesondere die bereits angesprochenen Punkte, von äußerster Wichtigkeit gerade für behinderte Menschen ist, hatte sich die Barbara-Rauck-Stiftung schon seit einiger Zeit das Ziel gesetzt, diese Informationen mittels eines Ärzteführers einer breiteren Öffentlichkeit zuzuführen und die dazu erforderlichen Arbeiten zu finanzieren. An diesem Punkt war es dann die Stadt München, die die Barbara-Rauck-Stiftung und den CBF als Partner dieses neuen Projekts zusammenbrachte, wobei der CBF neben den personellen Kapazitäten auch die bereits bei der Erstellung eines Gastronomieführers erworbenen Erfahrungen beisteuerte.
Nachdem zwischendurch Frau Dr. Kern eine symbolische goldene Spritze in Form einer Urkunde an den Orthopäden Dr. Jürgen Radke dafür verliehen hatte, dass er in seiner Praxis in der Nymphenburger Straße 146 auf die Bedürfnisse behinderter Patienten besonders eingeht sowie auch mehr als zehn Jahre als orthopädischer Betreuer in der Pfennigparade tätig war, stellte Frau Kamali zum Abschluss das Ärzteprojekt anhand der Homepage des CBF vor. Dabei wurde zum einen erläutert, wie der Benutzer durch Eingabe verschiedener Kriterien wie Postleitzahl, Fachgebiet oder Stufenlosigkeit der Praxis zu den gewünschten Informationen kommt. Zum anderen schilderte Frau Kamali die Vorgehensweise beim Sammeln der benötigten Informationen und musste leider auch über vorgefundene Missstände (kaum eine Rollstuhltoilette im Bereich der Altstadt !) und mangelnde Kooperation einzelner Ärzte berichten. Noch sind nicht alle Arztpraxen im gesamten Stadtgebiet erfasst und angesichts ständiger Änderungen durch Praxisschließungen, -umbauten und -neu- eröffnungen bedarf das Projekt einer dauerhaften und intensiven Pflege, aber der wichtigste erste Schritt ist gemacht!
Es versteht sich von selbst, dass alle Teilnehmer nach diesem offiziellen Teil die Feierlichkeiten bei einem kleinen Imbiss und im Gespräch mit neu erworbenen oder alten Freunden ausklingen ließen oder die Gelegenheit nutzten, die eine oder andere Frage zu klären.
Wie für die Feier des CBF bestellt, blieb das Wetter übrigens bis zum frühen Nachmittag sonnig, so dass auch jeder wieder trocken nach Hause kam.
Auch wenn die Zukunft des CBF beileibe nicht auf bloße weitere 35 Jahre beschränkt bleiben soll, befindet er sich doch im konkreten Sinn wie Dante in der Mitte seines Lebensweges. Im Unterschied zu Dante war und ist der CBF jedoch zu keinem Zeitpunkt vom rechten Wege abgeirrt, sondern verfolgt ebenso zielstrebig wie unbeirrt die Verwirklichung einer möglichst weitgehenden Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben. Dies wird auch in Zukunft so bleiben.
Wolfgang Vogl