Wer Hilfe zur Pflege oder Eingliederungshilfe benötigt, wird in die Sozialhilfe getrieben.
In der Bundesrepublik Deutschland gilt: Wer schwerstbehindert ist und für die Kosten seiner Pflege, so weit sie die Leistungen der Pflegeversicherung übersteigen, nicht aus eigener Kraft aufkommen kann, bekommt „Hilfe zur Pflege“ nur als Sozialhilfe. Da aber Sozialhilfe grundsätzlich nur einkommens- und vermögensabhängig gewährt wird, muss man als Anspruchssteller nicht nur fortlaufend dem Sozialamt über Einkommensveränderungen Bescheid geben, sondern steht auch dauernd unter dem Verdacht, irgendwelche Einnahmen zu unterschlagen. Die gesetzlichen Einkommensgrenzen sind so niedrig gesetzt, dass das zulässige Vermögen in der Regel noch nicht einmal den Empfehlungen von Finanzberatern entspricht: Danach sollte man mindestens zwei Bruttomonatseinkommen für unerwartete Belastungen auf der hohen Kante haben! Wenn jemand „Hilfe zur Pflege“ vom Sozialamt bezieht, bleibt auch eine Heirat bzw. Gründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht ohne Folgen: In solchen Fällen kommt es zu einer gemeinsamen „Haftung“ der Ehe- bzw. Lebenspartner, d.h. das Vermögen und Einkommen beider wird fortan einbezogen, und beide Partner dürfen nur ein entsprechend geringes Vermögen besitzen und auch zur Altersvorsorge höchstens eine Riesterrente ansparen. Aus diesem Grund hat der Behindertenbeirat München in seiner Stellungnahme zum Armutsbericht der Landeshauptstadt München folgende Forderung an den Bundesgesetzgeber aufgestellt: Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe sollen aus dem SGB XII und seinen Anspruchvoraussetzungen ausgegliedert werden. Stattdessen sollen Leistungen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile durch ein Nachteilsausgleichsgesetz einkommens- und vermögensunabhängig ermöglicht werden.
An den nachfolgenden Beispielen möchten wir einmal veranschaulichen, welche finanziellen Auswirkungen für erwerbstätige schwerbehinderte Menschen die Einbeziehung in die Sozialhilfe hat – dabei ist es ohnehin schon eine Seltenheit, dass ein Behinderter eine Arbeit hat und stellt darüber hinaus für diesen Personenkreis auch eine besondere physische und psychische Belastung dar.
Zusammengestellt hat diese Ilse Polifka von der Stiftung Pfennigparade, basierend auf Fällen aus ihrer Beratungspraxis.
Beispiel 1:
Herr A. ist schwerbehindert, Rollstuhlfahrer und hat die Pflegestufe III.
Er bezieht zusätzlich zu der Leistung der Pflegekasse Hilfe zur Pflege nach SGB XII (also Sozialhilfe), da er mehr Pflege benötigt, als die Pflegekasse bezahlt.
Er arbeitet als Programmierer und bezieht ein Nettoeinkommen von 2.355 € monatlich, die Unterkunftskosten betragen 690 € monatlich. Sein zulässiges Einkommen nach SGB XII beträgt 1.384 €.
Sein Nettoeinkommen liegt somit 971 € darüber.
Aus diesem Betrag errechnet sich dann folgender Eigenanteil (also der Betrag, den Herr A. monatlich für seine Pflege selbst übernehmen muss): 40 % aus dem übersteigenden Betrag, also der 971 € = 388 €.
Außerdem darf er nur 2 600 € Vermögen, haben, d. h. er darf keine höheren Ersparnisse haben.
Davon müssen dann Rücklagen für jede Art von Anschaffungen und z.B. Kosten für Zahnersatz etc. gebildet und auch ein Urlaub finanziert werden. Hr. A. darf auch keine zusätzliche Alterssicherung haben, es sei denn, es handelt sich um eine Riesterrente.
Beispiel 2:
Die Ausgangssituation ist wie im Beispiel 1 nur ist Herr A. verheiratet bzw. lebt in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Seine Partnerin verdient monatlich 1.500 €, die Kosten der Unterkunft betragen monatlich 1.000 €. Bei einem Gesamteinkommen von 3.855 € monatlich beträgt das gesetzlich zulässige Einkommen dann 1.936 €, und von dem überschießenden Betrag in Höhe von 1.919 € errechnet sich gemäß obiger Formel ein Eigenanteil für die Pflege von 767 € monatlich.
Das zulässige Vermögen für beide beträgt 3.216 €. Altervorsorge ist auch hier nur in Form der Riesterrente zulässig.
Beispiel 3:
Die Ausgangssituation ist wie im Beispiel 2, nur hat Herr A. mit der Partnerin noch zusätzlich ein Kind. Gesamteinkommen und monatliche Kosten der Unterkunft bleiben gleich, das zulässige Einkommen steigt aber auf 2.178 €, so dass sich aus dem überschießenden Betrag von 1.677 € ein Eigenanteil zur Pflege in Höhe von 670 € ergibt. Das zulässige Vermögen für die Familie beträgt 3.470 €.
Beispiel 4:
Eine Familie mit einem behinderten, minderjährigen Kind: hier ist ein Eigenanteil in der Regel nur zur Eingliederungshilfe in Form der sog. tatsächlichen häuslichen Ersparnis zu leisten, der im Höchstfall je nach Alter des Kindes 312.- € oder 415.- € betragen kann, in dieser Höher aber selten vorkommt.
Selbstverständlich kann man in diesen Fällen nicht von absoluter Armut sprechen, eine Benachteiligung und sogar Diskriminierung liegt aber zweifelsohne vor, wenn man die Lebenssituation eines schwer behinderten Menschen mit der eines nichtbehinderten Menschen unter denselben Vorzeichen vergleicht. Gänzlich unberücksichtigt bleiben zudem die unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten in einer Großstadt wie München einerseits oder ländlichen Gebieten andererseits.
Carola Walla