Ärmer als der Rest der Gesellschaft
Armut bedeutet auch immer Versagung von Lebenschancen!
Sieht man sich die Zahlen von Microzensus 2005 (dabei handelt es um die aktuellsten verfügbaren Zahlen) im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen genauer an, so ist der Befund ernüchternd:
Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung nehmen seltener am Erwerbsleben teil als der Rest der Bevölkerung. Nur rund 50 Prozent der 15 bis 65 Jährigen haben eine Arbeit, wohingegen 75 Prozent der restlichen Bevölkerung einen Arbeitsplatz haben. Menschen mit Behinderung sind auch häufiger arbeitslos: 14,5 Prozent zu 11,2 Prozent bei Nichtbehinderten.
Schon vor dem Erreichen des fünfundvierzigsten Lebensjahres sind fast ein Viertel der Schwerbehinderten auf Renten, Grundsicherung oder Leistungen aus der Pflegeversicherung angewiesen. In der Altersgruppe zwischen 45 und 65 Jahren verdoppelt sich dieser Anteil.
Auch wenn Schwerbehinderte Arbeit haben, sind sie in der Regel in niedrigeren Einkommensgruppen zu finden als Menschen ohne Behinderung.
268.046 Menschen mit Behinderung arbeiteten 2008 (nach Angaben der Bundesregierung) in Werkstätten für Behinderte (WfB). Dort verfügten sie aber im Schnitt lediglich über ein monatliches Einkommen von 159 €, das heißt, sie bleiben ebenfalls von aufstockender Grundsicherung abhängig.
Einer der Gründe, warum so viele behinderte Menschen unterhalb des Rentenalters gar nicht aus dieser Armutsfalle herauskommen, sind auch die deutlich schlechteren Bildungsabschlüsse und beruflichen Qualifikationen. 15% der 25-45-Jährigen verfügen über keinen Schulabschluss, bei den Nichtbehinderten sind es in dieser Altersgruppe nur 3 Prozent. 35,4% verfügen nur über einen Hauptschulabschluss (27% Nichtbehinderte) 11Prozent haben Abitur oder Fachabitur ( gegenüber 26 Prozent der Nichtbehinderten ).
28,4 Prozent der Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren sind ohne beruflichen Abschluss (14,2% der Nichtbehinderten).
Die Benachteiligung behinderter Menschen zeigt sich hier ganz deutlich: Unser Schulsystem ist nicht in der Lage, ihnen eine annähernd ausreichende Ausbildung zu garantieren, obwohl sehr viel Geld in Sondereinrichtungen fließt. Dabei zeigen alle Statistiken, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt bei besserer Ausbildung deutlich steigen.
Aber auch andere Aspekte des Lebens verschärfen die Armut und veranschaulichen zudem die nach wie vor bestehende Ausgrenzung von behinderten Menschen in unserer Gesellschaft: So lebt ein deutlich größerer Anteil bis 60 Jahre allein ohne Partner, bei behinderten Frauen ist der Anteil noch einmal erheblich höher. Praktisch heißt das, die Alleinlebenden müssen weitgehend ohne finanzielle Unterstützung und tatkräftige Hilfe von nicht behinderten Partnern und Familienangehörigen auskommen.
Die Lage behinderter Menschen ist in Wirklichkeit aber noch viel prekärer.In der Statistik tauchen nämlich alle diejenigen, die zwar behindert sind, aber aus den unterschiedlichsten Gründen keinen Schwerbehindertenausweis beantragt haben, nicht auf. Insbesondere die Gruppe der Menschen mit psychischen Einschränkungen ist in der Statistik nicht vollständig erfasst.
Deutschland hat erst dieses Jahr die Behindertenrechtkonvention ratifiziert hat, diese verlangt im Artikel 28; Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz:
„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien, einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung....Menschen mit Behinderungen , insbesondere Frauen und Mädchen sowie älteren Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Programmen für sozialen Schutz und Programmen zur Armutsbekämpfung zu sichern.“
Es ist noch ein weiter Weg, bis solche Programme entwickelt werden und auch greifen. Da dieses Jahr der Bundestag neu gewählt wird, hat der Behindertenbeirat München beschlossen, die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen und die Bundestagskandidaten zu befragen, was sie hierfür zu tun gedenken.
Im Rahmen der Veranstaltung Behinderung heißt Armut und Diskriminierung! Was tun die Parteien? Werden die KandidatInnen von CSU, SPD, Grünen, FDP und Linke Gelegenheit haben ihre Positionen zu erläutern. Die Veranstaltung findet am Freitag, den 26. Juni 2009, 16.00-18.00 Uhr im Kreisvewaltungsreferat , Mehrzwecksaal, Ruppertstr. 11 statt.
Carola Walla