Zunächst einmal ist es sehr nützlich, die im Zusammenhang mit dem Fliegen von Personen mit eingeschränkter Mobilität verwandte Terminologie zu kennen. Als Rollstuhlfahrer gehören wir nämlich zu den PRM, ("Passengers with reduced mobility"), also Passagieren mit reduzierter Mobilität. Diese werden dann nach den IATA-Codes in folgende Kategorien unterteilt:
WCMP (Wheel Chair manual power) fahren einen mit eigener Handkraft betriebenen Rollstuhl,
WCHS (Wheel Chair Steps) können zwar keine Treppen steigen, aber kurze Strecken zu Fuß zurücklegen,
WCHR (Wheel Chair Ramp) benötigen nur bei längeren Strecken einen Rollstuhl,
WCHC (Wheel Chair Cabin Seat) benötigen immer einen Rollstuhl, auch in der Kabine,
WCBD (Wheel Chair cell batterie) mit Elektrorollstuhl mit Trockenbatterie und
WCBW (Wheel Chair wet batterie) fahren einen Elektrorollstuhl mit Nassbatterie.
Es liegt vor allem im Interesse des besonderer Hilfestellungen bedürftigen Fluggastes, dies bei der Buchung des Fluges auch anzumelden (und ist nach der neuen, im April 2007 in dieser Zeitschrift vorgestellten EU-Verordnung über die Rechte behinderter oder in ihrer Mobilität eingeschränkter Flugreisender ja auch eigens als Vorankündigungsfrist von 48 Stunden vor dem Abflug vorgesehen). Häufig mögen die Wartezeiten im Falle der nicht vorher erfolgten Anmeldung zwar nicht oder nur unwesentlich länger sein als im Falle vorheriger Anmeldung, die kurzfristige Organisation der benötigten Hilfe klappt in ersterem Fall jedoch nicht immer reibungslos.
Als PRM sind wir für das so genannte "preboarding" vorgesehen. Das bedeutet, dass wir als erstes ins Flugzeug einsteigen: das flughafeneigene Hilfspersonal holt uns beim Einchecken ab und bringt uns noch vor den anderen Passagieren ins Flugzeug. Soweit wir auch für den Weg zum Flugzeug einen Rollstuhl benötigen, werden wir in einen besonderen Transportrollstuhl gesetzt und angeschnallt, der eigene Rollstuhl wird gesondert verladen. Dieser Transportrollstuhl ist 40 cm breit, gepolstert und hat keine Seitenteile, weshalb man auf dem Weg zum Sitzplatz durch die noch leeren Sitzreihen dauernd das eigenartige Gefühl hat anzustoßen.
Nachdem dann auch die übrigen Passagiere eingestiegen sind und die Maschine abgehoben hat, beginnt schon bald der Bordservice. Und sofern Getränke konsumiert werden, stellt sich früher oder später auch die Frage nach den Toiletten.
Wo finden wir Behindertentoiletten?
Diese Frage konnte mir weder das Personal am Informationsschalter noch das der Fluggesellschaften beantworten. In einem Reisebüro versicherte man mir, die Flugzeuge würden über behindertengerechte Toiletten verfügen. Trifft das zu? In der S-Bahn erklärte mir ein zufällig anwesender freundlicher Flugkapitän, auf den Fernflügen stünde jeweils eine behindertengerechte Toilette zur Verfügung, nicht aber auf den Flügen innerhalb Europas. Dabei gebe ich zu bedenken, dass die Menschen im Rollstuhl ihren Flug ebenso wie alle anderen mit echtem Geld bezahlt haben und nicht als blinde Passagiere frierend im Radkasten des Fahrwerks kauern. Trotzdem müssen sie unter Umständen durstig die angebotenen Getränke ablehnen, da sie keine geeignete Toilette finden werden.
Die so unterschiedlichen Antworten auf meine Frage nach Behindertentoiletten sind letztendlich nicht überraschend, denn eine Beantwortung ist gar nicht so einfach und in allgemeiner Form auch nicht möglich: jede Fluggesellschaft legt nämlich die Innenausstattung ihrer Maschinen nach der eigenen Kostenrechnung fest. Deshalb ist es ratsam, im Einzelfall bei der betreffenden Fluglinie nachzufragen, welche Toiletten jeweils vorhanden sind. Allerdings sind in bestimmten Modellen einzelner Hersteller Behindertentoiletten bereits als Module bestellbar und können somit bei den einzelnen Flugzeugen vorgefunden werden. Wie sind diese Toiletten ausgestattet?
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei der Fa. Airbus in Hamburg bedanken, die mir freundlicherweise die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt hat!
In den Airbussen des Typs A 330 und A 340 werden die voll ausdrehbaren Türen zweier gegenüberliegenden Toiletten von je 70 x 140 cm so gefaltet, dass ein WC von 140 x 140 cm entsteht. Diese als L 62 bezeichnete Kabine ist zwar nicht mit den Haltegriffen nach DIN 18025 ausgestattet, verfügt aber wenigstens über Wandgriffe an den Seiten der in der Ecke liegenden Toilette. In den Maschinen A 340/600 ist ganz hinten links die Kabine L 76 mit den Maßen 110 x 130 cm eingebaut.
Es ist zu befürchten, dass viele Rollstuhlfahrer damit nicht zurechtkommen, weil die teils senkrechten Griffe einen sehr hohen Kraftaufwand erfordern und wohl eher für Gehbehinderte gedacht sind. Am nicht unterfahrbaren Waschbecken gilt es, sich seitlich stehend die Hände zu waschen, sofern man es von der Toilette aus nicht erreicht. |
Dabei ist zu bedenken, dass der nur 40 cm breite Transportrollstuhl keine Seitenteile hat, an denen man sich hochstützen kann und die Sitzbreite kaum Platz lassen wird, um sich mit einer Hand auf der Sitzfläche zu entlasten und umzusetzen. Weil es dem Bordpersonal aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht erlaubt ist, beim Toilettengang zu helfen, muss man einen eigenen Begleiter mitbringen, falls man mit den Bedingungen nicht selbst zurechtkommt. |
Für die neuen doppelstöckigen Großraummaschinen A 380 wurde ein neues Modul entworfen, in das der Rollstuhlfahrer von der Längsseite gelangt. Es liegt nach der Konzeption von Airbus ganz hinten auf dem Hauptdeck und misst innen ca. 150 x 115 cm. Damit ist es zwar geräumiger als die WC der kleineren Maschinen, aber auch hier ist es erforderlich, sich am Waschbecken seitlich stehend die Hände zu waschen. Alles in allem bieten die Großraummaschinen A 380 also etwas mehr Platz in den Toiletten für die Rollstuhlfahrer. Dadurch könnten künftig mehr Rollstuhlfahrer die Chance ergreifen, einen Flug in ferne Länder anzutreten.
Es ist nicht anzunehmen, dass künftig der Toilettenbesuch im Flugzeug ein genussvoller Höhepunkt der Flugreise wird - das muss er auch nicht sein! Entscheidend ist nach meiner Ansicht, dass die Toiletten ergonomisch so auf die Fähigkeiten der Rollstuhlfahrer abgestimmt sind, dass sie ohne Hilfe zurechtkommen.
Andererseits kann beim übermäßigen Druck auf der Blase eine geeignete Toilette vielleicht ein größerer Genuss als die Hähnchenkeule mit Jägersauce sein, die uns in der Folie serviert wird, wobei ich keinesfalls etwas gegen die Qualität des Hähnchens gesagt haben will....
Platz - eine Kostenfrage
Einerseits ist das Vorhandensein ausreichend großer Behindertentoiletten angesichts eines steigenden Lebensalters der Flugreisenden und damit einer höheren Zahl von Menschen mit Behinderung oder einer eingeschränkten Mobilität immer wichtiger, wobei die Frage nach größeren Toilettenkabinen aber auch für jeden von Interesse sein dürfte, der nicht die Maße eines magersüchtigen Fotomodells aufweisen kann....
Andererseits darf man nicht vergessen, dass sich durch diesen Raumgewinn eine kleinere Passagierzahl die Gesamtkosten des Fluges teilen muss. Beim extremen Preiskampf der Fluglinien ist dies ein gewichtiges Argument. Beinfreiheit kostet Geld - wer sich davon überzeugen will, werfe einen Blick in die 1. Klasse.....
Abschließend muss an dieser Stelle aber nochmals ausdrücklich betont werden, dass man endgültige Gewissheit über das Vorhandensein von Behindertentoiletten nur durch Nachfrage bei der jeweiligen Fluglinie nach Ausstattung der eingesetzten Maschine erlangen kann! Freilich ist auch am Zielort die "rollstuhlgerechte" Gestaltung des Hotels nicht sicher, auch hier gilt es, sich genau zu erkundigen und den dehnbaren Begriff "behindertengerecht" und andere Versprechungen nicht zu glauben.....
Werner Graßl