Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer, kündigte Anfang dieses Monats eine Informationskampagne zum Persönlichen Budget an, die sogenannte Budget-Tour. Handelt es sich etwa um eine Leistung, die bisher nur nicht ausreichend bekannt ist?

Was ist das Persönliche Budget?
Nichts von alledem: zum einen ist das Persönliche Budget keine andere Leistung, sondern lediglich eine andere Leistungsform im Verhältnis zu den herkömmlichen Sachleistungen; zum anderen ist das Persönliche Budget auch nicht im eigentlichen Sinn neu, da es im Gesetz (nämlich dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB IX) bereits seit 01.07.2004 als Kann-Leistung vorgesehen ist, d.h. von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen auch gewährt werden muss.

Neu ist ab 01.01.2008 jedoch, dass ein Persönliches Budget auf Antrag zu gewähren ist, also ein Rechtsanspruch darauf besteht.

Inhaltlich ist das Persönliche Budget eine Geldleistung (oder in Ausnahmefällen ein Gutschein), die ein Behinderter erhält, um sich davon die Unterstützung, die er benötigt, selbst einzukaufen.

Dies zielt in erster Linie auf die Situation behinderter Menschen: ihre Selbstständigkeit wird gefördert, indem sie als mündige Bürger behandelt werden, durch eine gleichberechtigte Teilhabe wird letztlich auch eine größere Zufriedenheit behinderter Menschen mit ihrer Lebenssituation und -qualität erzielt; in zweiter Linie wird auf diese Weise aber auch ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern einer (Pflege-)Leistung gefördert, was im Hinblick auf eine zu erstrebende Qualitätssteigerung nur wünschenswert ist.

Vorbild für das Modell des Persönlichen Budgets sind übrigens die Niederlande. Dort wird das Persönliche Budget bereits seit Anfang der Neunziger Jahre praktiziert und ist auf Betreiben der Selbsthilfeverbände behinderter Menschen seitdem beträchtlich ausgebaut worden. Heute nehmen in etwa 40.000 behinderte Menschen verschiedene Formen Persönlicher Budgets in Anspruch.

Wie komme ich an mein Persönliches Budget
(so genanntes Bedarfsfeststellungsverfahren nach der Budgetverordnung)?

Ich benötige beispielsweise Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII sowie Assistenz beim Wohnen. Anstelle der jeweiligen Sachleistung kann ich ab 01.01.2008 dafür auch ein Persönliches Budget beantragen.

Dazu wende ich mich an eine der für die Gewährung der oben beschriebenen Leistungen zuständigen Stellen. Alternativ dazu kann ich mich auch an eine Service-Stelle wenden, die ich im Internet unter der Adresse www.reha-servicestelle.de finde. Allein in München gibt es davon sechs, unter anderen den Bezirk Oberbayern (Prinzregentenstr. 14) und die AOK Bayern (Maistr. 43-47). Nach diesem ersten Gespräch mit der Service-Stelle oder mit der ansonsten für eine der beantragten Leistungen zuständigen Stelle (im folgenden der Beauftragte), in dem die möglichen Leistungen besprochen werden, bittet der Beauftragte die neben ihm zuständigen Träger um Stellungnahme, die innerhalb von zwei Wochen erfolgen soll. Im Anschluss daran schließt der Antragsteller, also derjenige, der das Persönliche Budget möchte (im folgenden Budgetnehmer), mit dem Beauftragten eine Zielvereinbarung. Dabei handelt es sich um eine Art Vertrag , in dem der auszubezahlende Geldbetrag festgelegt wird und die jeweiligen Ziele enthalten sind. Des weiteren bestimmt diese Vereinbarung, welche Nachweise eingereicht werden müssen und welche Anforderungen an die Qualität der einzukaufenden Leistungen zu stellen sind. Um auch für behinderte Menschen eine Beurteilung und den Vergleich der von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen zu ermöglichen, ist auch im Bereich der Dienstleistungen für Behinderte dringend erforderlich, was im allgemeinen Geschäftsverkehr mittlerweile allgemein anerkannt ist, nämlich ein effizienter Verbraucherschutz.

Auf der Grundlage der solchermaßen abgeschlossenen Zielvereinbarung erlässt der Beauftragte dann einen Bescheid, mit dem ein Geldbetrag (oder in Ausnahmefällen ein Gutschein) gewährt wird. Dieser ist ein Verwaltungsakt und kann daher gegebenenfalls angefochten werden. Auch wenn der Budgetnehmer insgesamt mehrere Leistungen erhalten möchte und jede dieser Leistungen von einer anderen Stelle gewählt würde und daher für sich gesehen die Leistung als eigenes Persönliches Budget erbracht werden könnte, erhält er insgesamt nur ein Persönliches Budget für alle von ihm beantragten Leistungen, dieses ist also trägerübergreifend.

Inhaltlich wird dieser Bescheid durch zwei Prinzipien ausgefüllt: zum einem der Bedarfsdeckung, d.h. das Persönliche Budget soll so bemessen sein, dass damit die Bedürfnisse des Behinderten gedeckt werden; zum anderen bestimmt sich das Persönliche Budget nach dem Grundsatz der Deckelung, d.h. es darf die Höhe der bisherigen Sachleistungen nicht überschreiten.

Last, but not least beträgt der Bewilligungszeitraum für das Persönliche Budget üblicherweise zwei Jahre. Danach wird ein neues Bedarfsfeststellungsverfahren durchgeführt, bei dem geprüft wird, ob sich die Bedürfnisse des Antragstellers verändert haben oder sonst maßgebliche Veränderungen eingetreten sind.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass keiner verpflichtet ist, ein Persönliches Budget zu beantragen. Wer mit den ihm bisher gewährten Sachleistungen zufrieden ist oder sonst keine Notwendigkeit verspürt, am gegenwärtigen Zustand etwas zu verändern, kann diese Sachleistungen weiterhin beantragen. Das Persönliche Budget ist also freiwillig und keine Pflicht. Ebenso kann selbstverständlich derjenige, der das Persönliche Budget erprobt, aber erkennt, dass diese Leistungsform für ihn nicht das Richtige ist, wieder zu Sachleistungen zurückkehren, eine einmal erfolgte Beantragung eines Persönlichen Budgets ist also nicht irreversibel.

Für welche Leistungen bekomme ich ein Persönliches Budget?
Nicht alle Leistungen sind budgetfähig, sonern nur solche, bei denen der konkrete Hilfsbedarf "alltäglich, regelmäßig wiederkehrend und regiefähig" ist. Dies sind beispielweise Leistungen für eine Arbeitsassistenz oder zur beruflichen Weiterbildung, nicht aber eine besondere Arbeitsplatzausstattung.

Wer kann ein Persönliches Budget beantragen?
Unabhängig davon, ob jemand körperlich, psychisch oder seelisch, ob jemand leichter oder schwerer behindert ist, ob es sich um Kinder oder Erwachsene handelt, grundsätzlich kann jeder, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, einen Antrag auf Gewährung eines Persönlichen Budgets stellen.

Da die Verwaltung eines Persönlichen Budgets aber durchaus anspruchsvoll ist, erfordert die selbständige Organisation der benötigten Hilfeleistungen doch neben Disziplin auch einen Überblick über den entsprechenden Dienstleistungsmarkt und eine realistische Einschätzung über den eigenen Bedarf, können diejenigen, die sich überfordert fühlen, die so genannte Budgetassistenz in Anspruch nehmen, um sich beim Persönlichen Budget beraten und unterstützen zu lassen.

Bin ich an das Persönliche Budget in jedem Fall bis zum Ablauf der in der Zielvereinbarung bestimmten Laufzeit gebunden?
Die zwischen dem Budgetnehmer und dem Beauftragten abgeschlossene Zielvereinbarung ist, wie bereits ausgeführt, eine Art Vertrag und kann daher - auch wenn sie grundsätzlich eine bestimmte Laufzeit hat - von beiden Seiten auch vorher aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die Budgetverordnung nennt beispielhaft als wichtigen Grund für den Budgetnehmer eine Veränderung der persönlichen Lebenssituation und für den Beauftragten eine Nichteinhaltung der Zielvereinbarung. Wann dies genau gegeben ist, muss sich in der Praxis erst noch herausstellen, wenn Kündigungen der einen oder anderen Seite Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten werden.

Unabhängig von einer strengen oder großzügigen Auslegung des Merkmals des wichtigen Grunds durch die Gerichte bedeutet eine Kündigung aber keinesfalls, dass der bisherige Budgetnehmer nunmehr ohne jegliche Leistung dastehen würde. Vielmehr wird lediglich die Zahlung der Geldleistung eingestellt, wohingegen weiterhin Anspruch auf Sachleistungen besteht.

Die Möglichkeit der Kündigung beantwortet schließlich auch die Frage nach der freien Verwendbarkeit des im Rahmen des Persönlichen Budgets ausbezahlten Geldbetrags: Nach Sinn und Zweck des Persönlichen Budgets soll die genaue Verwendung des erhaltenen Geldes der freien Entscheidung des Budgetnehmers obliegen, eingegrenzt nur durch die in der Zielvereinbarung enthaltenen Ziele. Einem Missbrauch kann der Beauftragte daher einen Riegel vorschieben, indem er das Verhalten des Budgetnehmers anhand der einzuhaltenden Ziele überprüft und eben diese Vereinbarung dann notfalls aus wichtigem Grund kündigt, falls diese nicht eingehalten werden.

Wolfgang Vogl