Einige von Euch haben vielleicht letztes Jahr im Fernsehen die Sendung Das Experiment: 30 Tage im Rollstuhl gesehen, die RTL2 ausgestrahlt hat; eine Art Dokumentation, die vom CBF unterstützt wurde. In dem Film sollte der Alltag eines jungen Fußgängers aufgezeichnet werden, der sich freiwillig für 30 Tage in den Rollstuhl begibt, mit allen Hindernissen und Problemen, denen sich Menschen mit Behinderung täglich gegenüber sehen. Prinzipiell keine schlechte Idee, daher auch die Unterstützung von Seiten unseres Clubs; wir hatten Hinweise gegeben, an wen sich ein Rollstuhlfahrer wenden kann, möchte er z. B. ein Rollstuhltraining machen, einen neuen Rollstuhl erwerben oder seinen Rollstuhl von einem Transportunternehmen mitnehmen lassen.
Allerdings: die Umsetzung des Films ist aus Sicht der meisten direkt Betroffenen nicht immer gelungen; hier ein paar Beispiele. Der Film zeigt u. a. wie der Student vergeblich versucht, den Ort seines Studiums das Institut für Maschinenwesen der TU in Garching mit dem Rollstuhl zu betreten. Hier zeigt sich, dass bei der Recherche zum Film unsauber gearbeitet wurde, möglicherweise auch mit Absicht, um die effektarme Sendung interessanter zu gestalten.
Eigene Nachforschungen des CBF vor Ort haben nämlich ergeben, dass das Gebäude sehr wohl barrierefrei erreichbar ist, allerdings über eine Rampe am Seiteneingang. Auch das obere Stockwerk der Bibliothek ist nicht, wie im Film angegeben, für Rollstuhlfahrer unzugänglich: eine Tür, die allerdings vom Bibliothekspersonal mit einem Schlüssel geöffnet werden muss, führt zu einem Aufzug, mit dem man ins obere Stockwerk fahren kann. Man könnte also in Garching auch als Rollstuhlfahrer studieren.
Die Beispiele zeigen allerdings auch, dass der Zustand des fast neuen! Garchinger Gebäudes aus Sicht behinderter Studenten trotzdem nicht akzeptabel ist. Elektrische Türöffner etwa sucht man im gesamten Gebäude vergeblich. Und eine Bibliothek, deren oberes Stockwerk man als Fußgänger nur über einen (abgesperrten) Notausgang erreichen kann, hätte man bei weitem rollstuhlfreundlicher gestalten können...
Der Behindertenbeauftragte der TU, Günter Kächele, weist zwar darauf hin, dass er bei Umbaumaßnahmen, wie sie in Garching zum Teil erforderlich wären, außerdem bei Bauabnahmen etc., immer eingebunden wird und als selbst Betroffener sein Wissen einbringen kann; allerdings fehle für die meisten solcher Maßnahmen das Geld. Andere limitierende Faktoren wie z. B. der Denkmalschutz erschweren nach Kächeles Meinung zusätzlich die Anpassung der TU-Gebäude an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Folglich seien nur die wenigsten Gebäude der TU München wirklich behindertengerecht gestaltet; auf dem Stammgelände der TU in der Arcisstraße etwa können behinderte Menschen seiner Meinung nach aufgrund der vielen baulichen Hindernisse nicht studieren!
Beim Bau der Fakultät für Maschinenwesen, so Kächele, habe ein großer bayerischer Automobilkonzern die Leitung übernommen; vermutlich deshalb seien Fehler in der Ausgestaltung gemacht worden... Ein großes Problem sieht Kächele außerdem darin, dass er seine Tätigkeit als Behindertenbeauftragter -- zusätzlich zu seiner Beschäftigung in der Uni-Bibliothek -- ehrenamtlich ausüben müsse; dadurch fehle ihm die Zeit, sich derartigen Problemen in angemessenem Umfang widmen zu können.
Unsere Meinung dazu: Alles, was Herr Kächele sagt, ist sicherlich richtig, aber als Behindertenbeauftragter hätte er sich auch an die Fachberatung für behindertengerechtes Bauen der Bayerischen Architektenkammer wenden können. Dann hätte er nicht die ganze Last der Beratung und der Automobilkonzern nicht alleine das Sagen gehabt!
Florian Gerich