Ein Buch Vorschlag. „Lektionen“ von Ian McEwan.
Ian McEwan ist mit Büchern wie „Der Zementgarten“ oder „Abbitte“, (das verfilmt wurde) in Deutschland bekannt geworden und ist ein renommierter britischer Autor. Mit „Lektionen“ hat er nun ein Buch geschrieben, das mit dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 beginnt, auch den Krieg und die Nachkriegszeit behandelt und sich bis in die Gegenwart erstreckt. Am Leben der Hauptperson, Roland Baines, erfahren wir, wie sich die Veränderung der Gesellschaft auf einen einzelnen Menschen auswirkt, und noch viel mehr.
Der Held, ein begabter Junge, wird nach früher Jugend in Libyen – der Vater ist Soldat – auf ein englisches Internat geschickt, das aber keine unterdrückerische Schule nach Art der britischen Public Schools ist, sondern relativ liberal, und die Kinder fördernd. Roland ist musikalisch begabt und lernt Klavier. Seine Klavierlehrerin verführt ihn, als er 15 ist, sie ist zehn Jahre älter. Dieser Missbrauch wirkt sich für den Protagonisten schlecht aus, er kann keine dauerhaften Beziehungen zu Frauen aufbauen und auch beruflich ist er sehr unstet. Zwar heiratet er sogar, aber seine Frau verlässt ihn und den Sohn, der noch ein Baby ist, weil sie sich als Schriftstellerin entfalten will. Immerhin ist er wenigstens als alleinerziehender Vater kein Versager, als der er, der noch mit 40 „wie ein Student“ lebt, erscheinen könnte und sich selber zeitweise vorkommt.
Das ist ein gut geschriebener Roman über die englische und damit auch die europäische Geschichte, Deutschland spielt auch eine Rolle, ein Roman über das Altwerden, über die Veränderung der Menschen im Laufe des Lebens, ein Roman zudem über Kunst (Musik und Literatur, das Bücherschreiben), ein Roman über Ideale und Ziele, wie sie sich verändern und verloren gehen, ein Roman auch über Krankheit, Tod und Abschied, über Liebe und Familie. Es lohnt sich, sich darauf einzulassen.
Ian McEwan, Lektionen, deutsch von Bernhard Robben, 698 Seiten, gibt es auch schön günstig im Taschenbuch.
Jürgen Walla