Christine Schweiger träumt schon lange davon, von zuhause auszuziehen. Die 22-jährige lebt mit dem Downsyndrom und macht aktuell eine Ausbildung zur Küchenhilfe. „Wir sind uns einig, dass ein Wohnheim keine Option ist“, erzählt Susanne Schweiger, ihre Mutter. „Andere Möglichkeiten gibt es hier vor Ort nicht. Und alleine leben kann und will Christine nicht“. So wie Christine geht es vielen Erwachsenen mit einer sogenannten geistigen Behinderung. Etwa die Hälfte von ihnen wohnt auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter bei den Eltern. Andere leben in Einrichtungen, nur ein kleiner Teil selbstbestimmt, wie es nach UN-Behindertenrechtskonvention eigentlich die Regel sein sollte. Auch Menschen mit körperlichen oder seelischen Behinderungen betrifft der Mangel an attraktiven Wohnangeboten. Je komplexer der Unterstützungsbedarf, desto geringer das Angebot – das zeigen die Erfahrungen.
„Also packen wir es selbst an“, sagen Christine und Susanne Schweiger stolz. „Gerade sind wir dabei, ein Basiskonzept zu schreiben und Kooperationspartner zu finden.“ Hierbei findet Familie Schweiger Hilfe auf der neuen Webseite von WOHN:SINN. „Zuerst habe ich online an der Infoveranstaltung für Einsteiger teilgenommen“, erklärt Susanne Schweiger. „Dann haben wir uns in die Karte eingetragen, damit andere auf uns aufmerksam werden und sich vielleicht uns anschließen.“
Auch Thomas Wegner beschäftigt sich gerade mit der Gründung eines inklusiven Wohnprojekts. Der 43-jährige leitet den Bereich Wohnen eines Anbieters der Behindertenhilfe. „Im Fernsehen habe ich einen Beitrag über eine inklusive WG gesehen. Es hat mich begeistert, wie lebendig und selbstverständlich das Miteinander der Bewohner mit Behinderung und der Studierenden ist.“, erläutert Thomas Wegner. Als er im Internet nach mehr Informationen suchte, stieß er auf WOHN:SINN. „Es ist spannend zu lesen, welche Modelle funktionieren und welche Erfahrungen andere Vereine gemacht haben. In der Bibliothek von WOHN:SINN habe ich viele hilfreiche Artikel gefunden.“
Auf www.wohnsinn.org können Interessierte nun einen ganzen Strauß an Neuigkeiten entdecken. Das weiterentwickelte Onlineportal gliedert sich in fünf Bereiche: Unter „Inklusives Wohnen erklärt“ können Menschen mit Behinderungen, ihre Angehörigen sowie Mitarbeiter:innen aus Behindertenhilfe, Wohnwirtschaft, Politik und Forschung inklusives Wohnen aus ihrer Perspektive kennenlernen. Die Rubrik „Wissen von A-Z“ stellt erfolgreiche Praxisbeispiele vor und bietet eine Bibliothek mit vielen Materialien, Videos und Publikationen zu inklusivem Wohnen. In der Sparte „Suchen & Finden“ ermöglicht eine interaktive Karte deutschlandweit nach inklusiven Wohnprojekten, Anbietern der Behindertenhilfe und vielem mehr zu suchen beziehungsweise sich selbst einzutragen. Hierfür kooperiert WOHN:SINN mit dem Wohnprojekte-Verzeichnis der Stiftung Trias. Unter „Unser Angebot“ finden Interessierte das vielfältige Bildungs- und Beratungsangebot sowie Informationen zur Forschungs- und Lobbyarbeit von WOHN:SINN. Im Bereich „Über uns“ stellen sich der Verein und die Menschen dahinter vor.
„Es fühlt sich ein wenig so an, als wäre unser Baby erwachsen geworden.“, erklärt Geschäftsführer Tobias Polsfuß augenzwinkernd. Vor fünfeinhalb Jahren startete die Webseite wohnsinn.org und führte zwei Jahre später zur Gründung des deutschlandweiten Bündnisses WOHN:SINN. Unterstützt von der Aktion Mensch Stiftung und weiteren Partnern arbeitete das Team von WOHN:SINN in den letzten Monaten intensiv an der Weiterentwicklung des Portals. „Wir möchten das umfangreiche Wissen und Netzwerk unseres Bündnisses allen zur Verfügung stellen, die selbst ein inklusives Wohnprojekt umsetzen wollen. Während unsere alte Webseite auf Wohngemeinschaften fokussiert war, geht es im neuen Portal auch um inklusives Wohnen in Hausgemeinschaften und Nachbarschaften.“
Bereits 2020 starteten in Bremen, Dresden, Köln und München vier Regionalstellen von WOHN:SINN. Erfahrene Gründer:innen inklusiver Wohnprojekte geben hier in Beratungen und Veranstaltungen ihr Wissen an interessierte Organisationen und Projektgruppen weiter. Für Anfang 2022 sind Fortbildungen für Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB) an allen vier Standorten geplant. Im Sommer will WOHN:SINN einen Praxisleitfaden zur Gründung inklusiver Wohnformen veröffentlichen. Als wissenschaftliche Grundlage des Leitfadens dient eine deutschlandweite Studie zu inklusivem Wohnen, die aktuell in Kooperation mit einem Forschungsteam der Medical School Berlin durchgeführt wird.
Weitere Informationen erhält man über Tobias Polsfuß, den Geschäftsführer von Wohn:Sinn. Er ist unter der Telefonnummer 089-890559821 und der Mail tobias.polsfuß@wohnsinn.org zu erreichen.
Tobias Polsfuß