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Der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention nach Inklusion in den allgemeinen Arbeitsmarkt widerspricht ihre Existenz, aber mangels von Alternativen ist ihre Existenz unangefochten!

Mitten im Coronajahr 2020 ließ mich eine Meldung in den Nachrichten aufhorchen, Raoul Krauthausen, „Behindertenaktivist“, bekannt durch Fernsehmoderation und seine Projekte „Sozialhelden“ und „Wheelmap“, sagte Behindertenwerkstätten gehörten abgeschafft, denn sie würden dem Recht auf Selbstbestimmung und Inklusion im Arbeitsmarkt im Wege stehen. Weiter sagte er, Inklusion würde verhindert, um die Existenz von Sondereinrichtungen nicht zu gefährden

Seit 1974 existieren sie in der heutigen Form, sie dienen dazu Menschen, die erheblich erwerbsgemindert sind, eine mehr oder minder sinnvolle Beschäftigung zu bieten, vorausgesetzt, dass sie ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Leistung erbringen können. Zwar erhalten sie nur einen geringen Betrag über die Grundsicherung hinaus, nach Abzug der Wohnheimkosten (falls diese anfallen) bleiben in der Regel 105,50 € (2018), was bei durchschnittlich 35 Stunden Arbeitszeit pro Woche nicht viel ist. Aber sie bieten Menschen mit doch erheblichen Behinderungen die Möglichkeit aus ihren Wohnungen herauszukommen und mit anderen Menschen zusammen zu sein, außerdem organisieren die Werkstätten auch Freizeitaktivitäten oder stellen therapeutische Angebote zur Verfügung, da sie als Rehaeinrichtung gelten. Um die 320 000 Werkstattarbeitsplätze gibt es inzwischen und die Zahl nimmt immer noch zu.


Für Menschen mit Körperbehinderung sind die Werkstätten in der Regel nicht vorgesehen, denn sie gelten nur in Ausnahmen als erheblich erwerbsgemindert. Das führt aber dazu, dass ein erheblicher Anteil von ihnen arbeitslos ist, weil sich entweder kein Arbeitgeber findet, der sie einstellt oder auch kein geeigneter barrierefreier Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Das Angebot, was die Werkstätten herstellen, hat sich in den letzten Jahren ziemlich erweitert, war es früher viel Holzbearbeitung – wer kennt sie nicht, die schönen Holzspielzeuge? – ist in den letzten Jahren auch Datenverarbeitung dazu gekommen. Viele Aufträge kommen von Unternehmen, die ihre Ausgleichsabgabe, die sie zahlen müssen, wenn sie nicht mindestens 6 Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen vergeben, damit um 50 Prozent minimieren können.

Die Kritiker der Werkstätten für Menschen mit Behinderung kritisieren, dass Werkstattbeschäftigte weder Mindestlohn bekommen noch eine unabhängige Vertretung wie z.B. Betriebsräte noch Streikrecht haben. Die Wohlfahrtsverbände, die in der Regel die Werkstätten betreiben, argumentieren damit, dass es sich ja hier nicht um Arbeitsplätze im eigentlichen Sinne handelt, sondern um Rehaeinrichtungen. Wobei es zwar stimmt, dass Rehamaßnahmen geboten werden, aber Reha würde ja voraussetzen, dass die Werkstattbeschäftigten sich irgendwann rehabilitiert haben könnten und die Einrichtung verlassen, um wieder ins normale Berufsleben einzusteigen. Das zeigt schon, dass diese Bezeichnung schief ist und nicht passt. Es stimmt zwar auch, dass es für die Mitarbeiter Werkstatträte gibt, die verfügen aber nicht über die gleichen Rechte wie Betriebsräte, es ist also nur vom Namen gleich.

Eigentlich sollen die Werkstätten den Übergang ins allgemeine Berufsleben erleichtern. Es gibt ja auch in Betrieben ausgelagerte Arbeitsplätze von Werkstattmitarbeitern. Z.B. hatte die Pfennigparade schon Mitarbeiter, die für Siemens gearbeitet haben, die von Siemens übernommen wurden. Die Prozentzahl der Werkstattmitarbeiter, die auf den ersten Arbeitsmarkt pro Jahr übermittelt werden, schwankt je Bundesland von 0,25 zu 1,25 pro Jahr. Es bräuchte viel mehr Anstrengungen und auch Ideen, um Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Ob das teurer würde, ist angesichts der Kosten, die die Werkstätten verursachen fraglich. Von den Werkstätten aber ist ein großes Engagement nicht zu erwarten, denn sie wollen ihre Existenz nicht gefährden. Also hat Raoul Krauhausen recht, wenn er sagt, dass sie aus Eigeninteresse Inklusion verhindern.

Carola Walla