Nachdem uns in der Maiausgabe der Club-Post vor allem Geschichten aus der Vergangenheit ein wenig Licht im Dunkel spendeten, möchten wir uns in diesem Artikel vor allem mit den Auswirkungen der weltweiten Pandemie auf unseren Berufsalltag beschäftigen.
Ich möchte Euch auf eine kurze Zeitreise durch den Arbeitsalltag in der Offenen Behindertenarbeit der vergangenen Wochen nehmen. Chronologisch stelle ich im Telegrammstil die Veränderungen unseres
02. März
Uns erreicht eine erste Information per Mail, dass es erste Fälle von Corona-Infizierten gibt.
05. März
Rückfrage eines Interessenten, ob unsere Freizeit in Lido di Spina stattfindet.
06. März
Der Münchner Inklusionstag vom 10.03. wird ohne konkretes Ersatzdatum verschoben.
10. März
Die Geschäftsstelle des Behindertenbeirats der Stadt München empfiehlt alle geplanten Sitzungen und Veranstaltungen abzusagen.
Wir informieren unsere Freizeitteilnehmer über die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, welches ganz Italien zum Krisengebiet erklärt hat.
11. März
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft sagt den am nächsten Tag stattfindenden Termin des „AK Barrierefreies Bahnland Bayern“ um 15 Uhr zu und um 17 Uhr wegen eines Erlasses des Ministeriums wieder ab. Folge: Am nächsten Tag stehen Verantwortliche aus ganz Bayern im Sitzungssaal, weil sie die Absage nicht mehr rechtzeitig erreicht hat.
13. März
Wir sagen alle unsere Termine zunächst bis zum 19. April ab. Es werden erste Regelungen für unsere Arbeitsstelle getroffen, z. B. dass sich die Schichten der Kolleginnen in der EUTB (Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung) nicht überlappen sollen.
Unsere Kostenträger beim Bezirk Oberbayern richten einen Krisenstab ein.
Das Staatsministerium Gesundheit und Pflege erlässt Allgemeinverfügungen zu den Themen „Schließen von Einrichtungen“ und „Besuchsregeln in Alten- und Behindertenheimen.“
16. März
Eine unserer Kolleginnen verlegt Ihre Tätigkeit ins „Home-Office“; in diesem Zusammenhang bereiten wir uns technisch auf diese Möglichkeit vor, z. B. über die Einrichtung von Rufumleitungen. Der Bezirk und die Dienste treffen Absprachen über die die Sicherung und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit von Menschen mit Behinderung.
17. März
Unser Mitglied, der Landesbehindertenbeauftragte der Staatsregierung, Holger Kiesel veröffentlicht barrierefreie Informationen zur Krise in einem Gebärden-Sprach-Video.
18. März
Wir erhalten durch unseren Techniker einen Zugang zu dienstlichen Mails, um auf diese von daheim aus zuzugreifen. Ein Zugang zu wichtigen Dateien auf dem dienstlichen Computer kann zunächst nicht geschaffen werden.
20. März
Da der Aufenthalt in der Öffentlichkeit stark auf unbedingt notwendige Erledigungen eingeschränkt wird, erhalte ich für meine täglichen Fahrten nach München ins Büro eine Bescheinigung des Arbeitgebers für mögliche Polizeikontrollen. Für Menschen mit einer kognitiven Einschränkung erscheinen wichtige Informationen in leichter Sprache.
24. März
Der Bezirk Oberbayern verlängert die Abgabefrist für unseren Verwendungsnachweis um einen Monat.
25. März
Unser Spitzenverband der Paritätische, Landesverband Bayern fragt unseren Bedarf nach Schutzmaterialien ab. Aufgrund der diesbezüglichen Versorgungsengpässe z. B. in Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen, erhalten wir zunächst keine Zuteilung. Wir bieten unseren Mitgliedern einen spezielles „Sorgentelefon“ an, sowie die Möglichkeit, dass wir vom Büro aus z. B. Einkaufshilfen organisieren. Das Sorgentelefon wird zwar nicht häufig in Anspruch genommen, es wird aber deutlich, dass einzelne Menschen zunehmend der Vereinsamung ausgesetzt sind. So kommt es immer wieder zu längeren Telefonaten, mit denen wir dieser Entwicklung ein Angebot entgegensetzen können.
02. April
Wir werden mit Mails überhäuft, in denen es darum geht, zu prüfen, ob wir unsere Dienstleistungen noch vollumfänglich erbringen können. Wäre dies nicht der Fall, müssen alle denkbaren Varianten für Lohnersatzleistungen geprüft werden. Wir wühlen uns durch unzählige Informationen vom Bund, dem Land Bayern, dem städtischen Sozialreferat, diversen Organisationen, die Fördermittel zur Verfügung stellen, wie der Aktion Mensch… Es geht um Kurzarbeitergeld, das Sozialdienstleisterentsendegesetz (was für eine Wortschöpfung !!! – aussichtsreicher Kandidat für das nächste Unwort des Jahres!), Regelungen aus dem Infektionsschutzgesetz, das Programm Soziales, welches am 21. April vom Staatsministerium für Arbeit und Soziales in Bayern veröffentlicht wurde, wir prüfen wie die Voraussetzungen für die Fortzahlung des Entgelts bei Freistellung für häusliche Quarantäne sind, oder ob, wann und falls abgeschlossen eine Betriebsausfallversicherung Kosten trägt. Die Aufzählung ließe sich noch weiter führen – Fakt ist, dass wir nicht zu wenig zu tun haben, wir eher zur Bewältigung der Sichtung all der Informationen eine zusätzliche Verwaltungskraft einstellen könnten.
13. April
In jeder Krise steckt auch eine Chance. Zeitgleich zu den Einschränkungen in Coronazeiten werden die unterschiedlichsten Möglichkeiten für die Digitalisierung der Arbeitswelt getestet. Unzählige Anbieter für Videokonferenzen schießen wie Pilze aus dem Boden. Der amerikanische Videokonferenzdienst Zoom verzeichnet in diesen Wochen eine zunehmende Teilnehmerzahl von 10 Millionen Anfang März auf 300 Millionen im April mit einem Gewinn von 27 Millionen Dollar im ersten Quartal dieses Jahres. Dennoch muss man feststellen, dass wir gerade in sozialen Bereich mit vielen technischen Schwierigkeiten und mangelnder Ausstattung zu kämpfen haben. Erste Videokonferenzen werden zwar angekündigt, finden aus den zuvor geschilderten Gründen nicht statt.
14. April
Im Hinblick auf die Voraussagen von Experten sagen wir unsere Freizeit nach Italien ab. Wir sind froh, dass uns durch die Stornierung keine Kosten entstehen und wir nicht mit Gutscheinen für unsere bereits geleisteten Zahlungen abgespeist werden.
17. April
Heureka!!! Dank des Engagements und der Fürsorge einer ehrenamtlichen Freundin des cbf erhalten wir ein paar Stoffmasken als Spende. So können wir Mitarbeiter und auch ein Mitglied der Vorstandschaft nach Wochen ohne angemessenen Schutz erstmals und auch noch kostenfrei versorgt werden. Zwischenzeitlich werden für einfachste Mund-Nasen- Schutzmasken horrende Preise aufgerufen. Die Gier und die Not der Menschen macht´s möglich.
22. April
Da direkte Besprechungen wohl noch auf längere Zeit nicht stattfinden können und wie zuvor beschrieben die technischen Alternativen noch nicht aufgebaut wurden, installiert die Stadt München die brachliegenden Spartengespräche mit dem Tiefbauamt via Mail und Rückmeldebögen auf Basis von Excel-Tabellen. Umständlich, extrem arbeitsintensiv, aber immerhin eine Möglichkeit die Interessen von Menschen mit Behinderung endlich wieder angemessen zu vertreten.
24. April
Der erste Tag in meinem Leben, an dem ich von der Möglichkeit eines Arbeitens von Daheim (Home-Office) Gebrauch mache. Zukünftig scheint dies ja in der Arbeitswelt – „Corona sei Dank!?“ – eine wichtige
Rolle spielen. Auch im cbf werden wir uns Gedanken dazu machen, ob und unter welchen Voraussetzungen wir diese Form der Erbringung von Arbeitsleistung zukünftig nutzen möchten.
12. Mai
Endlich ist es soweit. Es findet die erste Videokonferenz für die Vorstandssitzung des cbf mit den Mitarbeitern statt. Wir müssen zwar ziemlich improvisieren, aber der Austausch kann erfolgreich stattfinden. Weniger von Erfolg gekrönt ist die zwei Tage später stattfindende Netzwerkkonferenz der EUTB Stellen München und Region.
15. Mai
Erstmals werden uns über die Branddirektion München, die in der Stadt für die Verteilung von Schutzmaterialien zuständig ist, Handschuhe, Masken, Hände- und Flächendesinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Knapp zwei Monate nach unserer ersten Bedarfsmeldung. Wie bei Klopapier scheint es sich hierbei um mittlerweile um das „Neue Gold“ zu handeln. Gewitzelt wird zwischenzeitlich darüber, dass versucht wird zu viel gehortetes Klopapier in Grillgut zurück zu tauschen.
05. Juni
So langsam lernen wir die Krise zu handlen und die ersten Silberstreifen am noch dunklen Horizont brechen sich ihren Weg. Kontaktverbote werden gelockert, längst ausverkaufte Artikel sind in den Geschäften – die soeben auch erst wieder öffnen – erhältlich. Wir statten unter anderem zwei Computer mit Headsets und Kameras aus.
07. Juni
Der Vorstand legt ein Hygienekonzept vor, anhand dessen wir unsere direkten Beratungsgespräche wieder aufnehmen wollen und über das auch die Vermietung unseres barrierefreien Appartements ermöglicht werden soll.
15. Juni
Seit diesem Tag bieten wir unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen in unseren Büros erstmals wieder persönliche Beratungen an. Die Nachfrage danach ist enorm! Auch der Austausch im allerdings kleineren Kreise von Kollegen findet drei Monate nach Einstellung aller Außenaktivitäten im Rathaus wieder statt.
16. Juni
Da mangels geeigneter Räumlichkeiten zum Einhalten von Sicherheitsabständen die Mitglieder des „Städtischen Beraterkreises Barrierefreies Planen und Bauen“ nicht tagen können, wird eine Videokonferenz angesetzt. Nach der Überwindung technischer Schwierigkeiten kann die Sitzung mit einer halben Stunde Verspätung abgehalten werden – mit durchaus engagierter Beteiligung aller Teilnehmer und guten Ergebnissen! Man merkt – wir bewegen uns stetig und unaufhaltsam zurück in eine Corona-absorbierte bzw. - adaptierte Normalität.
Und wie sind die weiteren Aussichten? Ohne Gewähr könnte der Weg zurück in die Zukunft folgendermaßen aussehen:
11. Juli
Die erste Nach-Corona-Wanderung der Rollinger findet statt.
15. Juli
Unser barrierefreies Appartement kann ab sofort wieder gebucht werden!
23. Juli
Der Rollinger-Stammtisch nimmt als erstes wieder sein geselliges Beisammensein auf.
25. Juli
Die erste Nach-Corona-Rolliwanderung der ‚Älteren‘ findet statt.
Oktober 2020
Freizeitmaßnahme für unsere Mitglieder und Freunde ?????
Alle Planungen sehen spezielle Vorkehrungen vor. Wenn Ihr näheres wissen wollt, meldet Euch doch bitte bei uns im Büro! Wir hoffen Euch bei den bevorstehenden Aktivitäten zu treffen und freuen uns auf das Wiedersehen.
Peter Pabst
Arbeiten in Zeiten der Corona Krise
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