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Widersprüchliche Gefühle und Gedanken zum Thema Spätabtreibungen

Vor zehn Jahren hat der Bundestag die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet, aus diesem Anlass hat die Redaktion der Clubpost beschlossen, dass wir uns bei ausgewählten Themen den Stand der Umsetzung anschauen.

Im Artikel 25 Gesundheitsvorsorge steht, dass durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten ist, dass behinderte Menschen Zugang zu Gesundheitsdiensten erhalten.

Unter dem Unterpunkt b ist unter anderem die Rede davon, dass die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungen anbieten, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden, soweit angebracht einschließlich Früherkennung und Frühintervention.

Unsere Frage war da, wie sieht es dabei insbesondere mit den Spätabtreibungen von behinderten Kindern aus? Spätabtreibung bedeutet oft Abbruch zu einem Zeitpunkt, wo die Kinder schon lebensfähig sind.

Der Fall der beiden Gynäkologen der Berliner Charité, die in Berlin kürzlich wegen Totschlags verurteilt wurden, hat mich schon erschüttert; das nicht behinderte Kind wurde per Kaiserschnitt entbunden das schwerstbehinderte Kind gleichzeitig mit einer Kaliumchloridspritze ins Herz getötet. Je mehr ich mich in das Thema Spätabtreibungen eingelesen habe, ums so mehr war ich mir aber nicht mehr so sicher, was richtig und falsch ist. Insbesondere hat mich hier eine Sendung von Deutschlandfunkkultur (dokumentiert im Internet) verunsichert.

Spätabtreibungen sind nur dann straffrei, wenn eine Behinderung des Kindes vorliegt und damit eine Gefährdung der Mutter (!) gegeben ist. Zu den Spätabtreibungen kommt es insbesondere dadurch, dass die Pränataldiagnostik erst in vorangeschrittenen Stadien der Schwangerschaft die Behinderungen erkennen kann. Es gäbe zwar heute schon die diagnostischen Methoden z.B. ein Ultraschallscreening mit Feindiagnostik, mit dem schon sehr früh Schädigungen des Embryos erkannt werden können. Dieses Screening wird von der Kasse aber nur bei sogenannten Risikoschwangerschaften (Erbkrankheiten, Infektionen) übernommen. Im Gegensatz zu dem Bluttest (Präna), der nur Trisomie 21 und wenige andere Veränderungen erkennen kann, kann dieser Test ein sehr breites Spektrum an Behinderungen erkennen.

Der Vorteil der Pränataldiagnostik besteht darin, dass Eltern nicht unvorbereitet ein behindertes Kind bekommen, sich mit der Behinderung auseinandersetzen können, Beratung in Anspruch nehmen können.

Die Gefahr besteht eindeutig darin, dass alles was von der Norm abweicht, eliminiert wird. In einer Zeit, wo alle an Selbstoptimierung arbeiten und auch der Nachwuchs schon im Mutterleib optimal gefördert wird z.B. durch regelmäßige Beschallung mit klassischer Musik, auch wenn die Mütter selber vielleicht gar keine klassische Musik mögen, da passt ein behindertes Kind nicht ins Selbstbild. Aber Selbstbilder kann man schließlich ändern und dazu ist Beratung und Begleitung gut. In München bieten z.B. das Haunersche Kinderspital und das Klinikum Großhadern eine enge Begleitung von Eltern während dieser schwierigen Phase ihres Lebens an und auch nach der Geburt gibt es weiter Unterstützung. Aber die Entscheidung der Eltern steht an erster Stelle. Und diese Entscheidung machen sich viele Eltern nicht leicht. „ Die meisten der Spätabbrüche sind Kinder, die könnten größtenteils leben mit entsprechender Hilfe und entsprechenden Operationen. Also sowieso leben, deshalb sind die Eltern in so großen Konflikten“, sagt Babette Ramsauer, Oberärztin für Geburtsmedizin in einer Berliner Klinik für Pränataldiagnostik. Sie sagt auch: „Die Anzahl der Abtreibungen in der Fristenregelung nimmt ab, die Abtreibungen in der 12.-21. Woche stagnieren bei 2100 pro Jahr, aber die Anzahl der Spätabbrüche hat sich auf mehr als 584 Fälle verdoppelt.“ Dies sind nur die Zahlen für ihre Klinik und es sind, zugegeben, keine schönen Zahlen. Doch wenn ich mir die einzelnen Schicksale in der Sendung des Deutschlandfunks anhöre, kann ich nicht urteilen, wie ich mich entschieden hätte. Ich selber und viele meiner Freunde möchten mit unseren Patientenverfügungen gerne verhindern, dass wir in unseren späten Jahren für lange Zeit nur noch an Maschinen hängen ohne Aussicht darauf davon jemals wieder los zu kommen. Vielleicht muss man Eltern auch zugestehen, dass sie das für ihre Kinder nicht wollen.  

Carola Walla