Dieser Film ist Grundlage und Ausgangspunkt für die derzeit (30.05.-10.11.2019) im NS-Dokumentationszentrum zu sehende Ausstellung „Stadt ohne. Juden, Ausländer, Muslime, Flüchtlinge“. Anhand von Ausschnitten des Films – dessen vollständige Fassung nebenbei bemerkt erst 2015 zufällig auf einem Pariser Flohmarkt entdeckt wurde – werden die einzelnen Stufen der Ausgrenzung der jüdischen Minderheit bis zu ihrer Ausweisung aufgezeigt und dann mit der Entwicklung der Judenverfolgung im Nationalsozialismus und mit Tendenzen in der Nachkriegszeit bis heute verglichen. Dieser Vergleich ist in zweifacher Hinsicht aufschlussreich. Zum einen finden die im Film beschriebenen Verhaltensweisen und Mechanismen im Nationalsozialismus und auch in der Gegenwart ihre Bestätigung. Es handelt sich somit um eine präzise Analyse, wie Prozesse der Ausgrenzung und Entrechtung ablaufen und wohin sie führen. Zum anderen wird deutlich, dass dies auch in unserer polarisierten Gesellschaft jederzeit möglich und teilweise auch jetzt zu beobachten ist. Viele Parallelen zwischen Nationalsozialismus und heutigen Ereignissen drängen sich auf. So benutzt etwa die AfD exakt die gleiche Sprache wie die Nationalsozialisten mit der Verwendung des Ausdrucks „judenfrei“, wenn sie auf Wahlplakaten „Islamfreie Schulen“ propagiert.
Das Schicksal Hugo Bettauers sowie das der mit Ende des Zweiten Weltkriegs befreiten Juden beschließen die Ausstellung: Hugo Bettauer wurde 1925 von einem nationalsozialistisch gesinnten Attentäter in seiner Redaktion niedergeschossen und erlag eine Woche später seinen Verletzungen. Der zu einer unverständlich milden Strafe verurteilte Attentäter gab noch Ende der Siebziger Jahre im ORF ein Interview, in dem er seine Tat als richtig (!) verteidigte. Während in „Die Stadt ohne Juden“ am Ende die Juden nach Utopia zurückkehren durften und dort sogar überschwänglich begrüßt wurden, war dies im Fall der befreiten Juden nach dem Ende des Nationalsozialismus keineswegs die Regel. Einige sehr emotionale Erinnerungsstücke belegen dies eindrucksvoll. Die euphorische Begrüßung heimkehrender Juden war eben leider doch nur das Happy End eines Films.
Wolfgang Vogl