Wer an Penzberg denkt, dem fällt wahrscheinlich außer dem Stichwort „Bergbau“ der dortige Imam Benjamin Idriz ein, der hier auch mit seinem Münchner Forum für Islam von sich Reden gemacht hat. Geschichtsbewusste Leser werden die Stadt aber vor allem mit der Penzberger Mordnacht verbinden, als in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch Widerständler in einem „fliegenden Standgericht“ ermordet wurden.
Etwas weniger bekannt dürfte sein, dass mit Heinrich Campendonk auch ein Vertreter der Künstlergruppe des Blauen Reiter eine besondere Beziehung zu dieser Stadt hatte. Campendonk lebte nämlich nicht nur für einige Jahre im ersten Viertel des letzten Jahrhunderts in Sindelsdorf und Seeshaupt, sondern reflektierte in seinem Werk auch mehrfach Themen der Bergarbeiterstadt Penzberg.
So war es wenig verwunderlich, dass sich das vor nicht allzu langer Zeit noch im Dornröschenschlaf befindliche Stadtmuseum schon damals mit einigen Werken Campendonks schmücken konnte. Aus dieser Zeit erinnere ich auch meinen ersten Besuch des Stadtmuseums mit einer Freundin: Das in einem historischen Bergarbeiterhaus untergebrachte Stadtmuseum war so unscheinbar, dass wir erst einmal daran vorbeigelaufen sind und nur durch mehrmaliges Fragen unser Ziel schließlich erreichten. Das Museum und die darin ausgestellten Werke Campendonks müssen damals noch eher ein Geheimtipp gewesen sein, so wenig besucherfreundlich waren damals die Zugangssituation und die Erreichbarkeit der einzelnen Ausstellungsräume.
Mittlerweile befinden sich etwa 300 Werke Campendonks in Penzberg und dies wurde zum Anlass genommen, das Stadtmuseum zu sanieren, einen Erweiterungsbau hinzuzufügen und die Sammlung Campendonk neu zu präsentieren. Anfang Juni wurde dieses neue Museum eröffnet. Eines vorweg: Verfehlen wird das neue Stadtmuseum jetzt so leicht keiner mehr. Dem bisherigen, eher unauffälligen Bergarbeiterhaus wurde nämlich ein markanter, sofort ins Auge fallender Erweiterungsbau aus dunklem Klinkerstein angefügt. Der überdachte Bereich zwischen beiden Gebäuden beherbergt zum einen den Kassenraum, zum anderen erschließen Verbindungsgänge im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das ursprüngliche Gebäude auch für Rollstuhlfahrer.
Wer das Museum besuchen möchte, gelangt über zwei Stufen oder eine sanft ansteigende Rampe in den Gebäudekomplex und befindet sich dann - da der Eingang genau zwischen altem und neuem Gebäude liegt – gleich am Kassenbereich. Leider ist dieser dann aber einige Stufen tiefer gelegen. Um Garderobe oder Taschen und Rucksäcke in Schließfächern zu verstauen oder die Toilette zu benutzen, gelangt man über einen Aufzug ins Untergeschoss, muss dabei aber jeweils sehr schwere Türen öffnen.
Das Museum selbst kann thematisch in zwei Bereiche unterteilt werden. Etwa die Hälfte des zur Verfügung stehenden Raums ist Heinrich Campendonk gewidmet. Die Wände dieser Räume bevölkern Vögel, Kühe oder Pferde in allen möglichen Farben. Unwillkürlich denkt man an den bekannteren Franz Marc und dessen Tierbilder, stellt aber bald fest, dass Heinrich Campendonk einen ganz eigenen Stil hat. Selten sieht man auf seinen Bildern Tiere allein. Vielmehr setzt er sie im Regelfall in Beziehung zu Menschen, beispielsweise in Akten. Im Gegensatz zu dem Werk des sehr jung gestorbenen Franz Marc erstreckt sich das Werk Campendonks über mehrere Jahrzehnte und entwickelte sich dementsprechend im Laufe der Jahre. So fertigte Campendonk erst in späteren Jahren auch Glasfenster, von denen eines im Treppenhaus des Erweiterungsbaus eingebaut ist.
Die andere Hälfte des Hauses ist der Stadtgeschichte gewidmet. So kann man eine typische Bergarbeiterwohnung aus den zwanziger Jahren besichtigen, sich über die Einzelheiten der Penzberger Mordnacht informieren und die Entwicklung Penzbergs von einer Bergwerksstadt zu einem modernen Industriestandort verfolgen.
Auch wenn das Museum durch den nur über (unnötige?) Stufen erreichbaren Kassenbereich und den erwähnten Erschwernissen gewisse Schönheitsfehler im Hinblick auf seine Barrierefreiheit aufweist, hat es den unbestreitbaren Verdienst, dass es jetzt überwiegend auch von Rollstuhlfahrern besucht werden kann (lediglich ein kleiner Teilbereich im zweiten Obergeschoss des ehemaligen Bergarbeiterhauses ist nicht mit dem Aufzug erreichbar). Das war bislang nicht der Fall. Ein Besuch lohnt sich!
Wolfgang Vogl