Seit mehr als einem Jahr wurde vor allem in den einschlägigen Berufsverbänden, aber auch in den Parteien und Medien über eine Neuregelung der Sterbehilfe und flankierende Maßnahmen am Ende des Sterbeprozesses diskutiert. Im November 2015 beschloss der Bundestag schließlich ein Hospiz- und Palliativgesetz sowie ein gesetzliches Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Die Medien berichteten ausführlich darüber und auch wir haben beide Gesetze auf dieser Grundlage bereits kurz vorgestellt. Seit Dezember letzten Jahres sind beide Gesetze bis auf eine Ausnahme nun in Kraft, so dass sich ein genauerer Blick darauf anbietet. Wer die Berichterstattung zu diesen Gesetzen verfolgt hat, wird einigermaßen überrascht sein, in beiden Fällen keinen organischen Gesetzestext vorzufinden, der die jeweilige Materie paragrafenweise regelt, wie es beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem Zivilrecht tut.
Das Hospiz- und Palliativgesetz
Hier handelt es sich um ein so genanntes Artikelgesetz, also ein Gesetz, das in seinen einzelnen Artikeln wiederum Paragrafen anderer Gesetze ändert, hier das fünfte und das elfte Buch des Sozialgesetzbuches („Gesetzliche Versicherung“ und „Soziale Pflegeversicherung“) sowie das Krankenhausfinanzierungs- und das Krankenhausentgeltgesetz. Das ist im Einzelnen sehr technisch, da beispielsweise ein bisher bestehender Punkt des anderen Gesetzes durch ein Komma ersetzt oder ein Halbsatz oder eine weitere Fallgruppe angefügt wird. Für den Laien erschwert dies das Verständnis der Änderungen erheblich, da er aus dem Text des neuen Gesetzes allein wenig erfährt, sondern erst in der Zusammenschau von diesem mit der alten Rechtslage schlauer wird.
Im Wesentlichen konzentrieren sich die Gesetzesänderungen aber auf eine Stärkung der Palliativversorgung durch eine höhere Beteiligung der Krankenkassen an deren Kosten. So wurde eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung als vertragsärztliche Versorgung definiert, die Kostentragung durch die Krankenkassen in Hospizen erhöht oder ein Zusatzentgelt für palliativmedizinische Versorgung ermöglicht.
Diese finanzielle Aufwertung der Palliativversorgung wird allerdings durch zwei Neuerungen flankiert. Zum einen führt das Gesetz für die gesetzlich Krankenversicherten einen „Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse zu den Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung“ (§ 39 b Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – SGB - V) ein. Dies umfasst bei Bedarf auch eine Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme und Leistungsinanspruchnahme der regional in Frage kommenden Stellen. Zum anderen kann nach dem neu geschaffenen § 132 g SGB V eine gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase angeboten werden. Dies beinhaltet eine Beratung über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung während der letzten Lebensphase und die Information über Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung.
Das Sterbehilfegesetz
Ähnlich irregeleitet ist, wer seinerzeit die Berichterstattung zur Neuregelung der Sterbehilfe verfolgt hat, die nämlich vermuten ließ, dass der Bundestag in einem eigenen Gesetz spezifisch die Sterbehilfe betreffende Regelungen zusammengefasst und ausformuliert hat: Allgemein wird in den Medien von einem neuen Sterbehilfegesetz gesprochen. Beim Blick ins Bundesgesetzblatt erweist sich aber, dass mit dem Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung lediglich eine eigene Strafvorschrift ins Strafgesetzbuch eingefügt wurde, der neue § 217 StGB. Diese Strafvorschrift sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, wenn „in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt“ wird. Dies gilt für Teilnehmer nur dann nicht, wenn sie selbst nicht geschäftsmäßig handeln und Angehöriger oder nahestehende Person des sich selbst Tötenden sind. Entscheidendes Kriterium ist danach eine Geschäftsmäßigkeit des Handelns. Nach dem einhelligen Willen der Parteien soll damit Sterbehilfevereinen wie demjenigen des vormaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch die Geschäftsgrundlage entzogen werden. Was versteht man aber unter Geschäftsmäßigkeit? Nach der Rechtsprechung ist das dann der Fall, wenn die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand der Beschäftigung gemacht werden soll. Dementsprechend können sich aber auch in Hospizen tätige Ärzte und Palliativmediziner in einem äußerst sensiblen Bereich bewegen und einen Konflikt mit dem Strafrecht riskieren, je nachdem, wie eng oder weit dieses Kriterium gefasst wird. Es wird deshalb Aufgabe der Gerichte sein, den genauen Bedeutungsgehalt und die Grenzen dieses Begriffs möglichst bald näher zu bestimmen.
Wolfgang Vogl