Wohnen zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Der aus dem Althochdeutschen stammende Begriff „wonen“ bedeutet nicht nur „sich aufhalten“, sondern auch „Behagen empfinden“ und „zufrieden sein“. Für viele Menschen ein Wunschtraum, der mit den Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt nicht in Einklang zu bringen ist.
In der Landeshauptstadt München herrscht akuter Wohnungsmangel. Mit der Folge, dass dieses knappe Gut zu immer höheren Preisen von Miet- und Eigentumswohnungen führt. Laut der „Wohnungsmarktdaten München 2014“ ist die Miete hier im Erstbezug im gesamtdeutschen Vergleich mit 16 € je Quadratmeter mit Abstand am höchsten. Bezahlbare - weil sozial geförderte – Wohnungen sind seit Jahren rückläufig. Gab es 1999 noch 250.000, waren es 2014 gerade noch 130.000. Weitere 50.000 Wohnungen fallen bis 2020 aus der Sozialbindung – eine Katastrophe scheint vorprogrammiert!!!
Verschärft wird die Problematik durch eine zunehmende Konkurrenz am Wohnungsmarkt mit sozial schwachen Familien, Hartz IV-Empfängern, Alleinerziehenden, Studenten und aktuell insbesondere hilfesuchenden Asylanten und Flüchtlingen.
Was dies für Menschen bedeutet, die dann auch noch aufgrund ihres Alters oder wegen einer Behinderung und / oder chronischen Erkrankung auf eine bezahlbare und barrierefreie Wohnung angewiesen sind, lässt sich unschwer erahnen. Obwohl längst keine Randgruppe mehr, geraten sie vor dem Hintergrund der beschriebenen Gemengelage immer weiter ins Hintertreffen. Laut einer Hochrechnung des Sozialverbandes VdK Bayern fehlen in Bayern bis 2030 etwa 354.000 barrierefreie Wohnungen, allein in München 31.000.
Der Behindertenbeauftragte der Stadt München, Oswald Utz, konstatiert in seinem Tätigkeitsbericht 2013-2014 die Wohnungsnot als strukturelle Gegebenheit, die dazu führt, dass sich die Zahl der Menschen mit Behinderung im Vergleich zur Zunahme von Zuziehenden ohne Behinderung stark rückläufig entwickelt. Er führt aus: „Gerade Menschen mit körperlichen Einschränkungen sind am angespannten Münchner Wohnungsmarkt chancenlos!“ Belegt wird das auch in einer – von der Landeshauptstadt in Auftrag gegebenen - 2014 veröffentlichten Studie von Dr. Sagner. Hierin wird erhoben, dass ein Drittel aller befragten Personen mit Schwerbehinderung ihre derzeitige Wohnung in puncto Barrierefreiheit als nicht funktionsgerecht erleben. 2700 Haushalte sind bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung auf dem Münchner Wohnungsmarkt nicht fündig geworden.
Da erscheint die Nachricht des Minister Herrmann, dass „bis 2019 im Rahmen des neuen Programmes „Wohnungspakts Bayern“ 28.000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Mietwohnungen entstehen sollen“ - wenngleich bereits tief im Schlamassel steckend - geradezu wie ein rettendes Ufer.
Doch halt – der Schein trügt. Denn im Zuge dieses und ähnlich gelagerter Vorhaben werden vielerorts neue „alte“ Fragen aufgeworfen. Architekten wollen wissen: „Wie soll man zukünftig insbesondere in Großstädten ökonomisch mit immer knapperen Flächen bei stetig steigender Nachfrage umgehen – könnte hierbei die Anwendung einer Minimal-Architektur mit dem Siegel „barrierefrei“ Abhilfe schaffen?“ Das Empirica-Institut, ein wirtschaftsnahes Beratungsinstitut, mit dem Schwerpunkt Immobilienmarkt und Stadtentwicklung, rüttelt an den Pforten des Sozialsystems und eröffnet eine Debatte zum Thema: „Welchen Wohnstandard will und kann der deutsche Staat a) Asylbewerbern, b) anerkannten Flüchtlingen und c) alteingesessenen (deutschen) Arbeitslosen finanzieren?“ (aus dem Empirica-Paper Nr. 229 mit dem Titel „Umdenken angesichts der Flüchtlingswelle“). (Haushalts-)Politiker und Sozialverwaltungen sinnieren darüber, ob „räumliche Sonderbedarfe von speziellen Gruppen im Rahmen der Angemessenheit der zu übernehmenden Unterkunftskosten heute noch zeitgemäß sind (15qm Mehrbedarf für einen Therapieraum für Menschen mit Behinderung)?“
Hier gilt es wachsam zu sein und alle aufkeimenden Begehrlichkeiten abzuwehren. Begehrlichkeiten, die im Rundumschlag alle treffen, die sich auch ganz ohne Zutun seit jeher an den Rand der Gesellschaft gedrängt sehen. Die soeben erst gesetzlich eingeführten Vorgaben (DIN Norm 18040 Teil 2) und die Ansprüche, welche aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableitbar sind, gilt es unter allen Umständen zu verteidigen. Auch unter den Asylanten und Flüchtlingen sind Menschen, die nach einem langen und entbehrungsreichen Weg jetzt oder auch zukünftig ein barrierefreies Zuhause benötigen. Ganz abgesehen von dem bereits geschilderten unglaublichen Versorgungsstau Einheimischer, der bis heute ohnehin aufgelaufen ist. Statt Rahmenbedingungen auszuhöhlen, wäre es jetzt an der Zeit, die vorgesehenen Mittel so einzusetzen, dass innerhalb des für die Programme vorgesehenen Zeitfensters, bezahlbarer Wohnraum entsteht, der zudem noch rollstuhlgerecht nutzbar ist. Im Zuge der Maßnahmen sollte beispielsweise auch darüber nachgedacht werden, diese Wohnungen verbindlich auf der Grundlage einer Quotierung einzufordern und auszuführen.
Wir als CBF werden unseren Teil dazu beitragen, dass dieser aus einer Not geborene Handlungsauftrag nicht zu übereilten Schnellschüssen führt. Es ist daher geplant, Anfang / Mitte März eine Gesprächsrunde zu organisieren, an der Verantwortliche, Fachleute und Menschen mit Behinderung als Experten in eigener Sache und langjährig Leidtragende einer versäumten zukunftsorientierten Wohnungspolitik teilnehmen. Vielleicht eine Chance, aus einem schnell gestrickten Aktionsprogramm zur vermeintlichen Krisenbewältigung ein zukunftsorientiertes und bedarfsgerechtes Handlungskonzept, dem auch enorme Chancen zugrunde liegen, zu formen.
Peter Pabst