Wer bis vor Kurzem das Ägyptische Museum besuchte, wurde mit einem in den siebziger Jahren entstandenen Provisorium konfrontiert: Zwar befand sich das Museum in der Residenz und ein gewaltiger, Ehrfurcht einflößender Eingang im Hofgarten schien ein ebenso beeindruckendes Museum anzukündigen, doch das Eingangsportal führte lediglich in eine weitläufige Vorhalle, von der rechts und links zwei (nicht mit Aufzügen flankierte) Treppchen führten, die jeweils in einige Räume der Sammlung Ägyptischer Kunst führten.
Ausstellungen hatten daher oft nur den Zuschnitt von Studioausstellungen und konnten nur auf Kosten der ständigen Sammlung gezeigt werden.
Diese Situation wurde schon seit Langem als unbefriedigend empfunden, und als die neue Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) an der Gabelsbergerstraße gebaut werden sollte, wurde die Gelegenheit beim Schopf gepackt und in einem Teil des Gebäudes im Untergeschoss das neue Ägyptische Museum untergebracht.
Die von den Kölner Architekten Peter und Gottfried Böhm geschaffenen Räumlichkeiten waren bereits 2012 fertig, aufgrund der Empfindlichkeit der Ausstellungsobjekte mussten die Räume jedoch gründlich getrocknet werden, und so wurde das neue Ägyptische Museum nun am 11. Juni 2013 eröffnet. So viel vorweg: Das Warten hat sich gelohnt! Bereits der Zugang zum Museum ist geschickt inszeniert und erinnert sogleich an den Besuch ägyptischer Grabanlagen.
An der Ecke Gabelsberger-/Arcisstraße ragt eine 17 m hohe Portalwand in die Höhe, auf die zulaufend Stufen in die Tiefe und zum Eingang des Museums am Fuße der Portalwand führen. Auch wer aufgrund fehlender Rampen oder wegen der nicht gerade kontrastreich gestalteten Stufen lieber mit dem Aufzug nach unten fährt, sollte zumindest einen Blick auf diesen Zugang werfen. Im Museum sollte man sich nach dem Lösen der Eintrittskarte unbedingt den gratis erhältlichen Multimediaguide nehmen, der nicht nur fast alles über die ausgestellten Objekte weiß, sondern auch den jeweiligen Standort des Besuchers. Auf diese Weise sind stets die sich dort befindenden Kunstwerke auf dem Bildschirm zu sehen, der funktioniert wie ein ganz normaler Touchscreen: Indem man ihn berührt, kann man Informationen zu den Kunstwerken abrufen. Geht man nun vom Eingangs- und Kassenbereich aus weiter, führt eine weitere Treppe (mit beidseitigem Handlauf und deutlich markierten Stufen) abermals nach unten - paradoxerweise in von Tageslicht erhellte Räume! Wie ist dies möglich, man befindet sich doch mindestens im zweiten Untergeschoss? Durch einen Kniff der Architekten, die die an ein sakrales Gebäude erinnernden Räumlichkeiten mit einem nach oben offenen Innenhof versehen haben. In den an diesen Innenhof angrenzenden Räumen befinden sich die Highlights der Münchner Sammlung, und so manches wird dem Besucher, der mit den alten Ausstellungsräumen vertraut war, bekannt vorkommen. Vieles wird jedoch neu sein, und so wird einem auf diese Weise auch klar, wie viel in den vergangenen Jahren aus Platzgründen in den Depots gelagert haben muss. Über eine Führungslinie, ein goldenes Band, das den Besucher vom Eingang bis zum Ausgang leitet, gelangt man dann zu den einzelnen Räumen, die Themenbereiche wie „Jenseitsglaube“, „Religion“ oder „Ägypten und Rom“ näher beleuchten. Ein Totenbuch kann mittels eines „Schlittens“ erforscht werden, der alle darin verwendeten Symbole entschlüsselt und erklärt. In lockerer Abfolge platzierte, interaktive Tische laden dazu ein, sich über die ägyptische Ikonographie oder die Bedeutung der Sterne im Leben der Ägypter näher zu informieren. Im Raum „Ägypten (er)fassen“ können Blinde ausgewählte Objekte ertasten, und in einem „Kunsthandwerk“ betitelten Raum sind Amulette und Ringe so unter Glas bzw. mit einem Spiegel präsentiert, dass sie plastisch wirken. Alles in allem tut sich hier ein Schatz auf, der so überbordend und reichhaltig ist, dass er keinesfalls im Rahmen eines einzigen Besuches erschlossen, geschweige denn erschöpfend erfasst werden kann. Die Gefahr, sich zu verzetteln, ist groß. Wer zum ersten Mal ins neue Ägyptische Museum geht, sollte sich daher zunächst nur die Objekte näher anschauen und über den Multimediaguide erklären lassen, die ihn besonders beeindrucken, und sich vor allem einen Überblick über die Sammlung verschaffen. Wer Zeit und Lust hat, kann bei weiteren Besuchen gezielt andere Gesichtspunkte vertiefen.
Wolfgang Vogl