In der Mai-Ausgabe der Club- Post findet man einen Artikel mit der Überschrift „Aus Vernunftgründen ins Seniorenheim“.
Die darin genannten Gründe, sich im Alter für ein Alten(Senioren)heim zu entscheiden, sind gut beschrieben und, wie gesagt, vernünftig. Kann diese Entscheidung aber für alle älteren Menschen gelten?
Wir reden ja über weitgehend gesunde ältere Menschen. Für mich ist sie nicht zwingend. Und mit dieser Meinung bin ich nicht allein. Umfragen zum Thema „Heim oder Wohnung“ für ältere Menschen werden fast immer zugunsten der Wohnung, der gewohnten Umgebung entschieden. Das hat ebenfalls seine berechtigten Gründe.
Es liegt wohl daran, dass wir uns da wohlfühlen, wo bekannte Strukturen sind, wo unsere Freunde und Bekannten im Haus oder in der näheren Umgebung leben, wo der Bäcker oder ein Café um die Ecke ist und wo eine U-Bahn oder die Tram erreichbar sind. Also, warum sollen gesunde oder weitgehend gesunde ältere Menschen in einem Heim unter lauter älteren oder alten und zunächst durchweg fremden Menschen leben? Wir verlieren aufgrund des Alterns zwangsläufig Freunde und Bekannte. Schon der Wegzug einer befreundeten Person in einen anderen Stadtteil ist ein Verlust, der verarbeitet sein will.
Was wir im Alter brauchen, sind mehr Hallos und weniger Adieus, und das finden wir eher in einer Umgebung, die gemischt ist, wo also Jung und Alt zusammen wohnen und wo auch noch Kinder und Jugendliche da sind. Solche Verhältnisse zu schaffen, ist mein Interesse. Es hängt auch weniger von der Gesundheit ab. Krankheit oder Behinderung sind zu Hause wie im Heim unangenehm bis schrecklich, lassen sich in der gewohnten Umgebung aber besser ertragen, wenn gewisse Hilfen und Unterstützung vorhanden sind. Ich finde, diese Hilfen gibt es auch; zwar noch nicht befriedigend, aber sie sind da und wir können sie nutzen. Allerdings müssen wir diese Leistungen auch bezahlen. Entweder über die jeweiligen Kassen oder privat. An vielen Stellen entstehen neue, moderne und bestimmt nicht gerade billige Heime. Dies liegt sicher daran, dass in diesem Bereich ordentlich Geld verdient wird, auch weil staatliche Mittel fließen. Das ist dann okay, wenn gleiche Mittel auch im ambulanten Bereich zur Verfügung gestellt werden, denn nicht jede/jeder kann oder will sich eine Seniorenresidenz leisten.
Wenn die Autorin ihre Entscheidung als so positiv empfindet, wie es in ihrem Artikel zum Ausdruck kommt, habe ich nichts daran herumzumäkeln, im Gegenteil: Ich freue mich für sie. Jede Entscheidung ist dann richtig, wenn sie auf freier Wahl beruht. Für mich gibt es hoffentlich nur mein Zuhause oder gegebenenfalls mal ein Krankenhaus, wenn es denn sein muss. Mir ist aber auch klar, dass ich das Schicksal nicht in der Hand halte und vielleicht irgendwann einmal von anderen über mich entschieden wird. Das wäre dann nicht so gut.
Johannes Maier (72)