Am 25. Januar 2013 bin ich mit dem ICE von München nach Berlin gefahren. Die Mobilitätszentrale betreute mich sehr gut. In Berlin brachten mich zwei junge Männer mit Rollstuhl und Gepäck bis ins Hotel. Nach einer kurzen Nacht wurde ich dort um 3.15 Uhr vom rollstuhlgeeigneten Bus der Reiseagentur C. Müller abgeholt.
Wir fuhren nach Rostock, von wo aus es um 8.00 Uhr weiterging. Sechs Stunden brauchte die Fähre Huckleberry Finn bis Trelleborg in Schweden.
Dort wartete unser Bus. Wir fuhren an Malmö und Helsingborg vorbei, linker Hand sahen wir den Öresund, und dann weiter Richtung Nordosten bis Linköping. In einem äußerst gemütlichen Hotel wurde uns ein hervorragendes Menü serviert, und ich bekam ein großes, wunderschönes, behindertengerechtes Zimmer.
Am nächsten Tag fuhren wir mit unserem Bus bis nach Umeå. Das Abendessen war enttäuschend, und am Morgen vergaß man, mich zu wecken. Na ja, zufällig bin ich von allein wach geworden. Nach dem Frühstück brachen wir zur letzten Anreiseetappe auf.
Bei 0 Grad regnete es, die Regentropfen froren sofort auf den Scheiben fest. Die Scheibenwischer waren überfordert, und das Eis musste in regelmäßigen Abständen von Hand abgekratzt werden. Auf einmal saß der Bus im Schnee fest und konnte sich trotz großer Anstrengung aller nicht befreien. Gott sei Dank wir in der Nähe eines kleinen Dorfes stecken geblieben, denn diese Gegend ist dünn besiedelt. Ein Schwede, der gerade mit seinem Hund Gassi gehen wollte, holte sein Auto und ein paar Schneeketten. Aber alles Ziehen half nichts. Per Telefon rief er einen der großen Schneeräumer, die dort andauernd unterwegs sind, zu Hilfe. Dieser nahm uns an die Kette und zog uns aus dem Schnee, was insgesamt 70 Minuten dauerte.
Nun konnte es weitergehen. Um 18.00 Uhr erreichten wir unsere Lodge in Svanstein, einem Dorf am Polarkreis, direkt an der finnischen Grenze. Wir wurden mit einem heißen Getränk begrüßt, und kurz darauf saßen wir alle an einer schön gedeckten Tafel und ließen uns ein herrliches Menü schmecken. Danach wurden die Schneeanzüge und Stiefel, die wir die nächsten Tage brauchten, anprobiert, wobei es viel zu lachen gab. Wir sahen alle ein bisschen wie Marsmenschen aus.
Dann kam der Clou: Jeder von uns bekam seine eigene Hütte. Bei mir hätten noch fünf Personen schlafen können. Es war urgemütlich inmitten dieser weiten Schneelandschaft. Dusche und Toilette waren behindertengerecht. Meine Nachbarin in der Hütte gegenüber hat die nächsten Tage immer in der Früh aus dem Fenster geschaut, ob bei mir schon Licht brannte oder nicht, ob sie mich wecken musste. Zum Essen hat sie mich dann abgeholt, damit ich unfallfrei ins Haupthaus kommen.
An nächsten Tag, dem 29. Januar, ging das Erlebnis am Polarkreis erst richtig los. Man konnte wählen, ob man, nach kurzer Einweisung, selbst ein Schneemobil fahren, als Sozius mitfahren oder sich mit dem Schlitten ziehen lassen wollte. Ich entschied mich für Letzteres, weil ich ja fotografieren wollte, was ich dann auch ausgiebig tat. Nach einer Fahrt durch tief verschneite Wälder kamen wir zu einem See, wo wir uns im Eisangeln versuchen wollten. Erst wurde ein Loch ins Eis gebohrt, dann ging’s los. Leider wurde nur ein einziger Fisch gefangen, den wir mit großem Hallo begrüßten. Anschließend wurden am Seeufer an einem Lagerfeuer heiße Suppe, Kaffee und Crêpes zubereitet. Da es inzwischen schon dämmerte, mussten die Schneemobile auf der Rückfahrt die Scheinwerfer einschalten, wodurch der Wald noch zauberhafter aussah als tagsüber.
Am nächsten Morgen schneite es heftig. Die Fußgänger machten einen Spaziergang, dann fuhren wir mit dem Bus zu einer Husky-Farm, um eine Hundeschlittenfahrt zu machen: Man kann überhaupt nicht beschreiben, wie wunderschön es ist, mit dem Hundeschlitten durch tief verschneite Wälder zu fahren. Frau Schubert führte unser Hundegespann, ich saß gemütlich auf dem Schlitten vor ihr. Ich weiß nicht, wer von uns beiden mehr Spaß hatte. Das Schneetreiben machte die Fahrt nur noch romantischer. Wir kamen zu einer Kota, einer samischen Hütte mit einer Feuerstelle in der Mitte, wo wir uns auf Felle setzten und die gute heiße Hühnersuppe aßen, die über der Feuerstelle köchelte. Zum Nachtisch gab es heißen Kaffee und Apfelkuchen. Satt und voller Erlebnisse hatten wir nach der Rückkehr in unsere Hütten genügend Zeit, alles Erlebte in Ruhe auf uns wirken zu lassen. Nach dem wie immer sehr guten Abendessen saßen wir noch bis elf Uhr in der Bar beieinander.
Am nächsten Morgen ging es nach dem kräftigen Frühstück zum nächsten Höhepunkt dieser Reise. Der Bus brachte uns in nur einer Stunde nach Finnland, ins Taka-Tuka- Land. Die Landschaft war märchenhaft. Es hatte zwar nur –2 bis +4 Grad, aber massenhaft Schnee. Wir wurden von Samen in Tracht begrüßt, und ab ging es in einem Rentierschlitten. Wir saßen zu zweit im Schlitten und hatten die Zügel in der Hand, aber die Tiere wissen auch so, wo’s im Wald langgeht. Am Ende dieser wunderschönen Fahrt haben wir den Rentieren etwas zu fressen gegeben. Für mich war das eine absolute Premiere, da ich noch nie im Leben ein Tier mit der Hand gefüttert hatte, aber es gibt im Leben ja bekanntlich immer ein erstes Mal. Anschließend gingen wir in eine kleine Kota, wo uns eine Schamanin gute Wünsche auf unseren weiteren Lebensweg mitgab, es war einfach wunderbar.
Danach saßen wir in einer großen, mit Tischen und Bänken ausgestatteten Kota zusammen, auf dem Feuer in der Mitte stand ein Topf mit leckerer Lachssuppe, einer meiner Leibspeisen. Dazu gab es Brot und Butter und zum Dessert Kaffee, Tee oder heiße Schokolade mit einem Marmeladenpfannkuchen. Jeder von uns erhielt einen Rentier-Führerschein, der fünf Jahre lang gültig ist. Auf der Rückfahrt bewunderten wir die Schneeskulpturen. Müde, aber beglückt von den schönen Erlebnissen schwebten wir zum Abendessen. Jeden Tag gab es neue Höhepunkte. Man kann dies nicht beschreiben, man muss es selbst erlebt haben.
Freitag, 1. Februar. Frau Schuberts Geburtstag. Erneut fuhren wir nach Finnland, diesmal dauerte die Fahrt zwei Stunden. Zuerst besuchten wir das Arktikum, ein Museum im Zentrum von Rovaniemi. Dort wird die Kultur der Samen dokumentiert. Ausgestellt sind Tiere der Arktis, von Lemmingen und Vögeln über Eisbären bis hin zu Elchen. Anschließend hatten wir im Weihnachtsmanndorf eine Audienz beim Weihnachtsmann. Er begrüßte jeden von uns mit Handschlag und bat uns auf Deutsch, ein Lied zu singen. Dazu muss man mich nie zweimal bitten. Der Weihnachtsmann lebt zwar das ganze Jahr über in Rovaniemi, aber im Winter mit dem vielen Schnee ist es besonders stimmungsvoll, ihn zu besuchen, man ist wohl doch in vielem noch ein Kind. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass es allen gefallen hat, ganz besonders dem Geburtstagskind. Auf der Rückfahrt stießen wir im Bus mit einem Gläschen Sekt an. Nach dem Abendessen und einer Weile in der Bar kehrte ich in meine gemütliche warme Hütte zurück. Wieder war ein wunderschöner Tag zu Ende gegangen. Samstag, 2. Februar, hatten wir zur freien Verfügung, und ich (bzw. elf von uns fünfzehn Leuten) entschied mich für eine weitere Schneemobilfahrt. Wieder ging es bergauf und bergab durch riesige Naturschutzgebiete, und wieder war es sehr schön. Auch diesmal gab es ein Lagerfeuer am See, mit Käsetoast vom Feuer und heißem Preiselbeersaft. Auf der Rückfahrt bekam ich eine , die vom Baum fiel, ab, zudem flogen mir immer wieder Eisstückchen ins Gesicht: Wir waren von 10.00 bis 13.30 Uhr unterwegs gewesen und schälten uns jetzt aus unseren Schneeanzügen und Stiefeln, wobei mir meine Nachbarin half, denn dies ist gar nicht so einfach. Nachmittags setzten wir uns bei Kaffee und Kuchen am Kamin zusammen und schauten einen Videofilm von unserer Audienz beim Weihnachtsmann an sowie alle Fotos, die Herr Müller gemacht hatte.Er hat noch mehr fotografiert als ich, und ich habe etwas mehr als 300 Bilder geschossen!
Nach dem Abendessen wurde der Medienabend im Kaminzimmer mit einer DVD vom Nordlicht, unterlegt mit den „Planeten“ von Gustav Holst, fortgesetzt. So haben wir das Nordlicht an unserem letzten Polarabend wenigstens im Film gesehen, denn im Schneetreiben hatten wir es nicht zu Gesicht bekommen. Die Heimreise führte über Finnland. In Kemi besichtigten wir das Schneeschloss mit Eishotel, das erst wenige Tage zuvor eröffnet worden war. Es liegt sehr schön am Bottnischen Meerbusen, doch so beeindruckend es auch ist, übernachten muss ich dort nicht.
Erstmals schien die Sonne, bei –5 Grad. Dann ging es weiter Richtung Süden. Beim nächsten Halt um 15.00 Uhr war das Thermometer auf –16 Grad gefallen, die niedrigste Temperatur auf der ganzen Reise. Wir wurden mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt, den wir vom Bus aus fotografierten. Um 19 Uhr erreichten wir Umeå zur ersten Zwischenübernachtung, diesmal mit sehr gutem Essen. Unterwegs waren Elche zu sehen, aber kaum sagte jemand: „Dort steht einer“, war der Bus schon daran vorbeigefahren, und daher haben nur Wenige die Elche gesehen. Ich war leider nicht dabei, aber man kann ja nicht alles haben.
Den nächsten Tag verbrachten wir im Bus, die Fahrer wechselten einander am Steuer ab. Es war scheußliches Wetter, Schneeregen und dunstig. Dafür war die nächste Unterkunft wieder sehr gut, mit köstlichem Essen. Trotz einer starken Erkältung konnte ich gut schlafen. 5. Februar 2013. Um 8.00 Uhr war Aufbruch zur letzten Etappe. Ich hatte so starke Hustenanfälle, dass Frau Habermann für mich einen Tee mit japanischen Heilkräutern zubereitete. Über Helsingborg und Malmö ging es, genau wie auf der Hinfahrt, nach Trelleborg. Unsere Fähre lief um 16.30 Uhr aus, in Rostock kamen wir um 21.20 Uhr an. Der Bus brachte uns nach Berlin, wo drei von uns im Ibis-Hotel abgeliefert wurden. Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege, und ich fuhr allein weiter nach München.
Es war eine wunderschöne, erlebnisreiche und sehr gut organisiert Reise, alles hat gepasst. Die Mitreisenden waren alle nett und hilfsbereit. Ich habe mich bereits für zwei weitere Reisen angemeldet.
Else Hestermann