Im Zwangsvollstreckungsverfahren treffen seit jeher einander widersprechende Interessen und Gesichtspunkte aufeinander, die Gesetzgeber und Rechtsprechung – so gut es geht – miteinander in Einklang bringen müssen. Wenn ein Gericht rechtskräftig festgestellt hat, dass die Person A der Person B eine Summe x schuldet, läge es natürlich im Interesse des Gläubigers B, dass der Gerichtsvollzieher alles beim Schuldner A pfändet, was auch nur irgendwie zu Geld gemacht werden kann und daher den Gläubiger befriedigt. Eine uneingeschränkte Pfändung würde aber zur wirtschaftlichen Vernichtung des Schuldners führen und widerspräche zweifelsohne der grundgesetzlich verankerten Menschenwürde. Umgekehrt hätten zu großzügige Schutzmechanismen zugunsten des Schuldners zur Folge, dass die Zwangsvollstreckung leer läuft und der Gläubiger anderweitig Hilfe in Anspruch nimmt (z.B. mit anderen „Methoden“ arbeitende Inkassounternehmen).
Aus diesem Grund kennt die Zivilprozessordnung Pfändungsfreigrenzen oder Pfändungsverbote und erlaubt in anderen Fällen eine Pfändung nur, wenn statt des gepfändeten Gegenstands ein anderer überlassen wird (sog. Ersatzpfändung) und überlässt im Übrigen der Rechtsprechung eine Ausfüllung. Für den Fall, dass beim Schuldner eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliegt, folgerte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2004 unter Abwägung von Sozialstaatsbelangen einerseits und dem Befriedigungsinteresse des Gläubigers andererseits eine Unpfändbarkeit des dem Schuldner gehörenden Pkws (Beschluss des BGH vom 19.03.2004, IXa ZB 321/03).
Eine solche Abwägung führt nach einem aktuellen Beschluss des BGH vom 16.06.2011 (VII ZB 12/09) aber im Gegensatz zu den Vorinstanzen nicht automatisch zum Überwiegen des Befriedigungsinteresses des Gläubigers, wenn der Schuldner „bloß“ gehbehindert ist (also nur das Merkzeichen „G“ in seinem Schwerbehindertenausweis trägt.)“. Vielmehr sind dabei das gewandelte Verständnis des Gesetzgebers von behinderten Menschen und das daraus folgende Gebot der Integration und des Ausgleichs von Nachteilen zu berücksichtigen.
Danach kann der Pkw eines gehbehinderten Schuldners dann nicht gepfändet werden, „wenn die Benutzung des Pkw erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung des Schuldners in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern“ /BGB; Beschluss vom 16.06.2011, VII ZB 12/09, S.1)
Wolfgang Vogl