Mailand ist immer eine Reise wert - und leichter zu erreichen als man denkt. Zwar ist eine Flugreise oft mit einem gewissen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden, doch der hält sich hier in Grenzen. Bei frühzeitiger Buchung ist bereits für wenig Geld dieser nur fünfzig Minuten dauernde Sprung über die Alpen zu haben und sowohl am Münchner als auch am Mailänder Flughafen kümmern sich aufmerksame und effiziente Assistenzkräfte um die Bedürfnisse von Passagieren mit Mobilitätseinschränkungen, so dass man ohne Schwierigkeiten in die Mailänder Innenstadt gelangt: mit dem Malpensa-Express, der auch einen eigenen Service für Rollstuhlfahrer anbietet, mit Bussen zum Hauptbahnhof oder mit dem Taxi.
Einmal in Mailand angekommen, bietet sich eine schier unüberschaubare Fülle an Sehenswürdigkeiten, vom Mailänder Dom bis zur Scala, vom imposanten Stadtschloss, dem Castello Sforzesco, bis zu Leonardo da Vincis Abendmahl. Doch unser heutiger Besuch soll einem erst im Dezember 2010 im aufwendig restaurierten Palazzo dell’Arengario am Domplatz neu eröffneten Museum gelten, dem Museo del Novecento. Das bedeutet übersetzt Museum des 20. Jahrhunderts und beschäftigt sich folgerichtig mit italienischer Kunst dieses Jahrhunderts. Dafür hätte sich kaum ein geeigneterer Platz finden lassen als der Palazzo dell’Arengario.
Dieser wurde nämlich selbst in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von namhaften italienischen Künstlern errichtet und ausgestaltet und erweitert auf diese Weise die Auseinandersetzung mit der im Museum gezeigten Kunst des 20. Jahrhunderts auf jene mit dem architektonischen Rahmen. Zunächst aber ist der Besucher des Museums beim Eintreten angenehm überrascht, da das Gebäude vollkommen barrierefrei gestaltet worden ist. Statt schwer zu bedienender Eingangstüren öffnen sich die dortigen Glasscheiben automatisch. Auch Schwellen wird man im Eingangsbereich – ebenso wie im ganzen übrigen Gebäude – vergebens suchen.
Stattdessen kann man wahlweise mit einem Aufzug oder auf einem vom Erdgeschoss sanft ansteigenden rampenartigen Weg ins erste Obergeschoss zum Beginn der Sammlung gelangen. Folgt man dann der Sammlung, so verbinden im weiteren Verlauf Rolltreppen und Aufzüge die Ausstellungsflächen der einzelnen Stockwerke miteinander, bis man in die oberste Etage kommt und einen fabelhaften Ausblick auf den Dom und das pulsierende Leben auf dem davor liegenden Platz hat. Selbstverständlich ließe sich jetzt trefflich über die im Museum gezeigte Kunst reden, die in ihrer Fülle von Umberto Boccioni und den italienischen Futuristen über De Chirico oder Morandi bis zu Sironi oder Fontana reicht. Eine eingehende Auseinandersetzung damit würde jedoch den Rahmen dieser kleinen Vorstellung sprengen, die zudem Lust wecken soll, das Museum und die darin ausgestellten Werke selbst zu entdecken. Eines kann man an dieser Stelle jedoch festhalten: das Museo del Novecento ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich ein barrierefreies Museum ohne weiteres in einem alten Gebäude unterbringen lässt.
Wolfgang Vogl