Es ist ein paradiesischer Fleck Erde – diese Gegend zwischen Simsee und Chiemsee!
Als es vor ein paar Tagen so heiß war, haben wir uns – zwei Freundinnen und ich – auf den Weg gemacht, um den Laden der Wagenstaller-Mühle zu besuchen. Die Autobahn 8, München/ Salzburg, entlang bis zur Ausfahrt Achenmühle oder Frasdorf und dann nach Riedering. Von dort aus muss man sich durchfragen nach Obermühl. Doch die Einheimischen wissen Bescheid und weisen den Weg bis zu diesem wunderschönen Ort mitten in sanften Hügeln und saftigen Wiesen. Noch eine Wegbiegung und wir standen vor einem prächtigen alten Bauernhaus, geschmückt mit roten und rotlila Geranien.
Und da erschien sie, Annelie Wagenstaller, die schöne Müllerin! „Die Müllerszunft hat eine lange Tradition, Es macht mich stolz, ein Teil davon zu sein und sie fortzusetzen.“ So steht es auf dem Prospekt von Frau Wagenstallers Mühle. Es war sicherlich nicht einfach für sie, diese Tradition weiterzuführen. Aber heute hat sie es geschafft. Sie mahlt nach Bedarf Getreide. Sie bäckt selber ein köstliches Brot. Macht Kräutergartenführungen, bietet Interessierten Brotbackkurse an und betreibt einen heimeligen Mühlenladen, der vor wunderbaren Naturkostprodukten nur so überquillt. Da man, wenn man es mit Getreide zu tun hat, auch mit allerlei Getier rechnen muss, das ebenfalls an diesem Grundnahrungsmittel interessiert ist, erreicht man den Mühlenladen nicht ebenerdig, sondern nur über ein Holzpodest und damit nur über Stufen. Jetzt war ich extra aus München hergefahren und sollte mit meinem Rollstuhl gar nicht in den Laden kommen! „Und wenn ma Sie mit dem Gabelstapler hochhem?“, schlug die Hausherrin vor. Etwas ängstlich zögerte ich. Dann siegte meine Neugierde. Sohn Markus kurvte mit dem Gabelstapler ums Hauseck. Sie hievten mich auf eine Palette und ich schwebte samt Rollstuhl langsam in die Höhe und schon war ich drin im holzgetäfelten Laden. Gewürze und Müslizutaten nach den Rezepten der Hildegard von Bingen gab es und alle möglichen Getreidesorten, Mehlarten, Öle, Nüsse, Essigspezialitäten, Naturkosmetika, Weine, Tränklein und Tröpfchen gegen jedes Zipperlein, zu denen Annelie Wagenstaller genaue Anwendung und Rezepturen angeben konnte, Körbe, Kannen und Kissen, Stofftiere, Haushaltswaren, Seifen, Bücher – denn die Müllerin ist selber Autorin zweier wunderschöner Werke über Brot, Getreide, Gewürze, Land und Leute. Wir schauten uns ausgiebig um und kauften nahrhafte Köstlichkeiten. „Und was habds Ihr jetzt no vor?“, fragte die Müllerin als wir uns verabschiedeten. Essen wollten wir was Gutes, ob sie uns etwas empfehlen könne. „Ja, den Seewirt in Ecking, direkt an der Kurve auf der Rückfahrt nach Riedering“! Ich glitt mit dem Gabelstapler wieder nach unten. Zum Seewirt war‘s nicht weit. Da saßen wir dann lange am stillen, leuchtenden Simsee. Kein Wind regte sich, eine gemütliche Badegesellschaft tummelte sich im durchsichtigen, warmen Wasser, ruhte unter mächtigen Bäumen. Eine Einheimische, die am See Urlaub machte, erklärte uns, dass es allein um Rosenheim herum 30 Badeseen gäbe! „Also finden alle ihr Plätzchen und kein Massenandrang stört die Idylle“. Wir ließen uns die Renke aus dem See schmecken und nach einem Eis in der Fußgängerzone von Rosenheim ging’s zurück nach München!
Wenn Sie die Mühle und ihren Laden auch einmal besuchen möchten und im Rollstuhl sitzen, dann ist es unbedingt notwendig, zuvor bei Frau Wagenstaller anzurufen und zu fragen, ob jemand da ist, der Sie mit dem Gabelstapler in den Laden hieven kann. Und dann – viel Vergnügen! Tel.: 0 80 36 / 77 20, WEB: www.wagenstallermuehle.de
Ingrid Leitner