Einfach Teilhaben: Das Webportal für Menschen mit Behinderungen, ihre Angehörigen, Verwaltungen und Unternehmen
Das neue Internetportal des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales http://www.einfach-teilhaben.de, das über die Stiftung Digitale Chancen realisiert wird, soll in allen Lebenssituationen Informationen und Hilfen anbieten.
Dieses Portal soll wirklich „für alle“ zugänglich sein, egal welche Behinderung vorliegt – auch für Gebärdensprachler und Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Das macht dieses Portal aus technischer Sicht besonders interessant. Denn das ist schwer, um nicht zu sagen unmöglich.
Im Dezember 2009 lud das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 100 Teilnehmer nach Berlin ein, um dort das Portal vorzustellen.
Unsere Homepage ist inzwischen recht bekannt und so bekam der CBF München auch eine Einladung. So machten wir uns auf den langen Weg nach Berlin in die Neue Mälzerei, ein Tagungszentrum in Friedrichshain. Es waren Leute aus allen Bereichen eingeladen, von Universitäten, aus Behörden und Behindertenorganisationen, sowie WEB-Entwickler. Wir wurden schon im Vorfeld sehr gut betreut. Es gab Hilfsangebote, um Leute von großen Bahnhöfen abzuholen, es waren auch Gebärdendolmetscher da, und die Räume waren barrierefrei zugänglich. >Zunächst wurde das Portal vorgestellt, danach gab es Workshops in denen Verbesserungen und die Weiterentwicklung diskutiert wurden. Man muss nun bei der Beurteilung dieses Portals trennen zwischen Inhalt und Darstellung.
Zunächst der Inhalt
Der zentrale Inhalt sind einerseits Informationen für Menschen mit Behinderung, vergleichbar mit den Broschüren, die es bisher in gedruckter Form gab. Als neues Schwerpunktthema gibt es für das Persönliche Budget ein umfangreiches Informationsangebot.
Aus meiner Sicht sind diese Informationen sehr gut und umfangreich und auch übersichtlich dargestellt. In den
Workshops wurde allerdings noch mehr Information zu „Übergängen“ gefordert, z.B. den Übergang von Schule zum Beruf.
Zusätzlich gibt es in dem Portal ein Angebot „Recherche“. Hier soll man mit einigen Suchbegriffen Informationen finden zu Ärzten und Kliniken, Hilfsmitteln, Berufsangeboten, Gesetzen und Adressen. Das war für uns natürlich besonders interessant, bieten wir doch mit unseren Kultur-, Gaststätten- und Ärzteführern etwas Ähnliches für München.
Hanne Kamali zur Recherche „Ärzte und Kliniken“
Viel heiße Luft
Arztsuche in dem barrierefreien Internetportal einfach-teilhaben.de
Münchner Arztpraxen beschäftigen, hat mich die Arztsuche auf der Homepage von „einfach teilhaben“ besonders interessiert. Man kann gleich auf der Startseite mit der Suche beginnen. Es ist allerdings nicht ganz einfach zu verstehen, was genau man eingeben muss, um zu suchen. Ich habe anhand unserer Büro-Postleitzahl 80805 getestet, welche Ärzte uns vorgeschlagen werden und wie.
Die erste Information, die man erhält, lautet: Es werden die besten von 500 gefundenen Einträgen angezeigt.
Diese Aussage vermittelt den Eindruck einer Bewertung der aufgeführten Ärzte.
Zu jedem einzelnen Arzt erhält man, zur Ermittlung des Grads der Barrierefreiheit (siehe Bild, Beispiel Geifrig) eine Tabelle mit ja/nein Aussagen.
Man erfährt, ob z.B. der Eingang der Praxis barrierefrei ist oder nicht. Bei vielen der angezeigten Praxen stehen dann auch ausschließlich ‚nein‘ Antworten.
Aber es ist schon ein Unterschied, ob eine Praxis 8 Stufen am Eingang hat (Dr. med. Kreymann auf Platz 6) oder nur eine Schwelle.
Unseres Wissens gibt es in diesem Gebiet nur eine einzige wirklich geeignete Praxis (mit WC usw.), und das ist die von Frau Geifrig in der JohannFichte-Str. 12. Leider ist das Ergebnis der einfach-teilhaben-Suche falsch, denn wir erhalten: Zugang barrierefrei: nein, obwohl alle Unterpunkte mit ja beantwortet sind. Bei der Praxis von Frau Dr. Filler wird der Grad der Barrierefreiheit mit nein beantwortet und alle Unterpunkte auch mit nein, obwohl der Zugang stufenlos, schwellenfrei und ohne Lift möglich ist. Christiane Maier-Stadtherr hat recherchiert und festgestellt, dass die Angaben von den Ärzten selber eingetragen wurden. Leider sind die Fragen missverständlich formuliert und werden daher oft falsch beantwortet. Aber das nutzt demjenigen wenig, der einen Arzt sucht.
Anmerkung:
Die Daten ändern sich ständig, bei ein er neuen Recherche am 29.1.2010 kam wieder ein anderes Ergebnis:
Praxis Geifrig: Zugang barrierefrei =ja aber Praxis barrierefrei = nein.
Natürlich hinkt der Vergleich, denn unser Material über Ärzte ist auf München und Umgebung begrenzt. Auch wir könnten nicht bundesweit Daten in der Qualität erheben, wie sie in unserem Ärzteführer vorliegen Die Betreiber von „einfach teilhaben“ verwenden aber ungeprüft Daten aus fremden Quellen und dementsprechend ist das Ergebnis der Recherchen zweifelhaft.
Die meisten Betroffenen werden auf diesem Portal den gut gemachten zentralen Informationsteil nutzen und nicht die Recherche – allerdings ist der beträchtliche Aufwand, den die Betreiber für diese Recherche-Funktion eingesetzt haben, aus unserer Sicht verschwendet. Lieber gar keine Information als eine falsche!
Nun zur Darstellung
Es gibt eine Technik, WEB-Seiten aufzubauen, die „barrierefrei“ genannt wird. Auch unsere CBF-Homepage ist so aufgebaut. Diese Barrieren sind aber hauptsächlich visuelle und motorische Einschränkungen.
Das Portal „einfach teilhaben“ möchte aber auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und für Gebärdensprachler zugänglich sein. Das bedeutet: Es gibt die Seite zusätzlich in zwei anderen Sprachen: Einfache Sprache und Gebärdensprache.
Die Einfache Sprache lässt sich noch relativ leicht umsetzen. Andererseits: Wo ist die Grenze? Wie einfach muss einfach sein? Objektiv lässt sich das nicht bewerten. Interessant fand ich den Vorschlag eines Workshop-Teilnehmers: „Warum nicht von vornherein das Portal nur in einfacher Sprache anbieten“? Tatsächlich habe ich selbst die Broschüre zum Persönlichen Budget in einfacher Sprache gelesen und finde sie sehr gut – viel besser als das gewundene Beamtendeutsch des „normalen“ Beitrags.
Aber die Gebärdensprache! Dazu haben wir wirklich viel gelernt. Unter anderem, dass die Gebärdensprache eine richtige Fremdsprache ist – mit einem ganz anderen Satzbau als die gesprochene Sprache. Deshalb können echte Gebärdensprachler auch die normalen Texte nicht lesen – allerdings glauben wir, dass sie mit der einfachen Sprache auch zurecht kommen würden.
Das Portal hat jedenfalls den Ehrgeiz, auch Gebärdensprache anzubieten. Aber das ist schwer.
Manchmal sieht man im Internet eine Seite, auf der ein Video mit einem Gebärdensprachler eingeblendet ist. Das ist für ein so großes Portal, auf dem sich auch die Inhalte laufend ändern können, praktisch unmöglich - man müsste ja bei jeder Textänderung einen neuen Film drehen!
Also braucht man eine automatische Übersetzung in die Gebärdensprache. Wenn man einen deutschen Text zum Beispiel in ein Übersetzungsprogramm für Englisch eingibt, erhält man als Ausgabe die englische Übersetzung. Hier wäre es also eine Übersetzung in Gebärdensprache.
Und dann muss die Übersetzung erst noch „gebärdet“ werden! Das lässt sich theoretisch mit einem Avatar lösen. Ein Avatar ist im Internet eine künstliche Person (wer Spiele am PC spielt oder den derzeit laufenden gleichnamigen Kinofilm bereits gesehen hat, wird den Begriff ohnehin kennen).
Das ist aber Theorie, die Praxis sieht leider anders aus. Denn Übersetzungsprogramme, egal in welche Sprache, liefern nicht immer ein korrektes Ergebnis und dann gebärdet der Avatar eben Unsinn. Als Beispiel: „Freundliche Grüße, Stadtherr“ wird vom Übersetzungsprogramm ins Englische übersetzt: „Kind regards, Mr. City“. Der Avatar gebärdet das dann – und der Benutzer wundert sich. Auch hier stellt sich mir die Frage, ob nicht eine gute und konsequente Verwendung der einfachen Sprache möglich wäre.
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Portal wirklich ein gutes Hilfsangebot ist – auch wenn einige Ansätze noch nicht den optimalen Erfolg zeigen.
Hanne Kamali,
Christiane Maier-Stadtherr