Liebe Mitglieder, liebe Freunde!
Wussten Sie schon, dass wir Deutsche viel zu viel sitzen? In der Früh, wenn wir mit dem Auto zur Arbeit fahren, im Büro bei der Arbeit sowieso, am Abend im Auto zurück und dann vor dem Fernseher als sogenannte Couchkartoffeln (zu neudeutsch: couchpotatoes) mit den Kartoffelchips in der einen und der Bierflasche in der anderen Hand! Dadurch haben wir alle – oder fast alle – Diabetes, Haarausfall und die falsche Sicht auf die Dinge des Lebens. Ist das nicht schrecklich?
Und wie kommen wir raus aus der sitzenden Misere? Durch die Fitness-Studios. Also marsch und im Dauerlauf drauf auf die Laufbänder, in die Streckzangen, an die Dehn-Dreh-Beugungs-Maschinen. Dann nähern wir uns vielleicht wieder der aufrechten deutschen Haltung, der Haltung eines stramm stehenden deutschen Volkes. Aber so weit wollen wir uns gar nicht verlaufen. Denn das Problem, auf das ich hinauswollte, ist ja ein ganz anderes, eines, das nicht alle Deutschen, aber doch wir Rollstuhlfahrer gemeinsam haben: Wenn wir nicht zufällig noch ein wenig stehen oder laufen können, sind wir gezwungen, im Rollstuhl zu sitzen, und wenn wir nebenbei auch noch was anderes - Nützliches oder Unterhaltsames - tun wollen, dann müssen wir stundenlang sitzen und sitzend agieren. Damit sind wir dann die Deutschesten aller Deutschen, oder? Nein, ich wäre dafür, dass man bei uns eine Ausnahme macht, denn wir sitzen ja nicht freiwillig. Natürlich gebe ich zu, dass wir, im Rollstuhl sitzend, auch nicht besonders artgerecht daherkommen. Aber wir können uns ja mit der Unterstützung freundlicher Helfer gelegentlich auf unserem Bett ausstrecken und – malerisch hingelagert – genussvoll ausruhen. Oder wir plantschen im Therapiebecken, oder hantieren mit speziellen Therapiegeräten. Physiotherapeutinnen und andere Fachleute helfen uns außerdem, auch mal andere Haltungen einzunehmen, oder ungewohnte Bewegungen auszuführen. Also gibt es für uns doch auch wenigstens kleine Fluchten aus der betonierten Sitzposition.
Und dann habe ich da noch einen ketzerischen Gedanken: Was ist eigentlich gar so schlecht am Sitzen? Wenn der rollstuhlfahrende deutsche Finanzminister seine Finanzpolitik im StehRollstuhl (so was gibt es ja) im Parlament vortragen würde, wären einige Abgeordnete auch etwas irritiert. So sitzt er halt, der Herr Schäuble. (Auf den Fotos übrigens meistens ohne Rollstuhl. Seine Persönlichkeit zeigt sich allerdings auch mehr in seinem Gesicht als in seinen Rollstuhlrädern. Schauen Sie mal rein ins Internet, unter Wolfgang Schäuble.) Und auch wenn Sie sonst nicht mit ihm einverstanden sind, sitzend und rollend bewegt er doch eine ganze Menge, oder? Das tun wir Rollstuhlfahrer übrigens alle! Wussten Sie das schon?
In dieser April-Ausgabe bieten wir Ihnen einen großen Überblick über einige der in München laufenden Ausstellungen ((Bella Figura, Kykladen, Transsib, Mit Leib und Seele, Louise Bourgeois,) von Wolfgang Vogl. Nehmen Sie den Artikel als Anregung, sich in den Museen Münchens umzuschauen. Es lohnt sich.
Michaela Schlereth bedankt sich bei unserem Spender für eine Rollstuhlwanderung mit dem Bus und Christiane Maier-Stadtherr berichtet über ein neues Rollstuhlfahrersymbol. Film-, Radio- und Buchtipps von Christiane Hauck, Wolfgang Vogl und Jürgen Walla sowie ein von Hanne Kamali vorgestelltes Lokal für den April runden die Ausgabe ab.
Und am 25. April und im Mai werde ich dann einige Ausstellungsbesuche, die wegen Krankheit ausfallen mussten, nachholen. I
ch freue mich darauf, so wie sich Michaela Schlereth freut, wenn Sie zur April-Rollstuhl-Wanderung mitkommen!
Ingrid Leitner