Endlich mal in der ersten Reihe sitzen, in der Mitte. Nicht wie sonst üblich als Rollstuhlfahrerin weit hinten neben dem äußersten Platz. Dieses Privileg versprachen die Kammerspiele in ihrer Aktion „Barrierefreier April“ ihren Besuchern im Rollstuhl.
Wir wählten die Aufführung „Der Kaufmann von Venedig“. Uns wurden tatsächlich Plätze in der vordersten Reihe zugewiesen, die Stühle waren dafür ausgebaut worden. Die Begleitpersonen saßen daneben in der zweiten Reihe.
Der kurze Weg vom Flur zum Platz ist jedoch sehr abschüssig, sodass uns unsere Begleiter sichern mussten. Die Fläche, auf der die Rollstuhlfahrer stehen, ist in der ersten Reihe ebenso leicht nach vorn geneigt wie auf den gewohnten Seitenplätzen. Nach einiger Zeit macht sich das schmerzhaft im Rücken bemerkbar.
Das Stück selbst ist sehr modern inszeniert. In einigen Szenen lesen die Schauspieler den Text von Monitoren ab, die auch die Zuschauer sehen. Fälschlicherweise hielten wir das zunächst für einen Service für hörbehinderte Zuschauer. Als Übertitel erscheint der gesamte Text, für die vorderen Reihen jedoch zu hoch und zudem auf Englisch.
Bei anderen Vorstellungen wird Audiodeskription eingesprochen, damit auch sehbehinderte und blinde Personen der Handlung folgen können. Hörbehinderte können sich mobile Induktionsschleifen leihen und für Gehörlose werden die Texte in Gebärdensprache übersetzt.
Ein lobenswerter Ansatz, der sich nicht nur auf einen Monat beschränken sollte. Um Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer herzustellen, muss aber zunächst für eine ebene Zufahrt und ebene Standflächen gesorgt werden.

Monika Burger