Nachdem die Kammerspiele den barrierefreien April ausgerufen hatten und uns die Idee gefiel, gingen wir, drei Frauen vom CBF (Christiane Maier-Stadtherr, Michaela Schlereth und Carola Walla), ins Theater, um uns einen Eindruck zu verschaffen. Im folgenden geben wir einzeln unsere Eindrücke wieder.

Christiane Maier-Stadtherr:
"Der Kirschgarten" von Tschechow - das ist eins dieser Stücke, das Gehörlose und stark Schwerhörige normalerweise nicht besuchen.
Nun hatte ich die Chance, in den Kammerspielen im Rahmen des “Barriere Freier April – München Inklusiv!“ als Betroffene von der neuen Barrierefreiheit zu profitieren.
Man hat in diesem Stück Unter- bzw. Übertitel eingeblendet und ich war sehr gespannt darauf, denn ich hatte das schon einmal in  einem Stück, das in tschechischer Sprache im Marstall aufgeführt wurde (Anmerkung der Redaktion: Dabei handelte es sich um die Aufführung von „Der Müll, die Stadt und der Tod aus dem Jahr 2012) und fand es wunderbar, auf diese Art das ganze Stück zu verstehen - ohne Vorbereitung. Bei klassischen Stücken liest man vor dem Theaterbesuch das Stück so oft, bis man es auswendig kann, das ist bei dieser Technik nicht nötig.
Die technische Umsetzung der Übertitel war in den Kammerspielen leider nicht optimal, es ist ja auch ein altes Theater. Die Textanzeige war an der Lichtschiene über der Bühne befestigt, also gefühlt 10 Meter über dem Geschehen auf der Bühne. Vom Rand des Parketts aus konnte man die Anzeige nicht sehen, denn der Balkon verdeckte sie. Auf mittleren Plätzen war sie gut lesbar, groß und kontrastreich. Allerdings - durch die Höhe konnte man entweder die Bühne oder die Schrift sehen, nicht beides gleichzeitig. So entging mir doch einiges, aber immerhin - ich wusste immer, was gesprochen wurde.
In den Kammerspielen sollten also Menschen, die Untertitel brauchen, am besten Balkon Mitte nehmen (falls es Unter- bzw. Über-Titel gibt). Vielleicht könnten das sogar extra reservierte Plätze für Hörgeschädigte werden? Rollifahrer haben ja auch eigene Plätze.

Michaela Schlereth:
Ich bin nicht hörgeschädigt und habe mir gelegentlich die Übertitel angesehen. Mir fiel auf, dass diese nicht immer dem gesprochenen Text entsprachen und teilweise ganz fehlten obwohl gesprochen wurde. Ich denke trotzdem: Es ist ein guter Anfang gemacht und es wäre schön, wenn öfter barrierefreie Vorstellungen von Theatern angeboten würden.

Carola Walla (auch nicht hörgeschädigt, oder jedenfalls nur altersgemäß):
Ich würde es begrüßen, wenn generell Videotexte eingeblendet würden, denn wenn ich mit Freunden ins Theater gehe, höre ich regelmäßig die Beschwerde, dass Schauspieler gar nicht mehr so gut artikulieren würden wie früher. Ich teile diese kulturpessimistische Auffassung zwar nicht ganz, stelle aber fest, dass auch das sogenannte normale Publikum nicht immer alles versteht. Aber Text und Spielgeschehen auf der Bühne gleichzeitig zu verfolgen, war, wie schon erwähnt, nicht wirklich möglich. Im Nationaltheater gibt es bei den Opern auch immer Videotext, dort ist das besser gelöst, d.h., man muss nicht immer an zwei verschiedene Orte schauen – so viel nur als Anregung an die Kammerspiele.

Auf jeden Fall wünschen wir uns, dass die Unter- bzw. Übertitelung der Theaterstücke kein einmaliges Ereignis bleiben, sondern Standard für alle Aufführungen werden.

Christiane Maier-Stadtherr, Michaela Schlereth, Carola Walla